Abstiegskampf in Augsburg: Der stille Bessermacher

Jos Luhukay hat beim FC Augsburg aus einem Haufen von Verstoßenen und Verkannten ein Team geformt. Mit guten Chancen kämpft es um den Klassenerhalt.

Viel Freude aneinander: Trainer Luhukay avancierte für Augsburgs Geschäftsführer Rettig zur „Erfolgsgeschichte“. Bild: dpa

AUGSBURG taz | Jos Luhukay weiß nicht mehr, was einst Jürgen Klinsmann bei seiner Präsentation als Trainer des FC Bayern propagiert hat. Der Trainer des FC Augsburg lässt sich gerne aufklären. Jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser zu machen, lautete damals die unbescheidene Zielsetzung des gescheiterten Chefreformers.

Was in München auf radikale Art misslang, gelingt gerade auf grandiose Weise in Augsburg. Wenn es gut läuft, muss der FC Augsburg heute bei Borussia Mönchengladbach nicht mal gewinnen, um den Bundesligaverbleib perfekt zu machen.

Und wenn nicht, so heißt es allerorten in der 264.000-Einwohner-Stadt, werde halt am letzten Spieltag gegen den Hamburger SV mit reichlich Freibier der Klassenerhalt begossen. Schalkes Trainer Huub Stevens hat nach einem glücklichen 1:1 am vergangenen Sonntag versprochen, „dass Augsburg den Klassenerhalt schafft“.

Sein Landsmann Luhukay spricht vorsichtshalber noch im Konjunktiv: „Uns wurde absolut nichts zugetraut. Ich verspüre Stolz, wenn es uns gelingen würde.“ Augsburg ist der Gegenentwurf zu hektischen Standorten wie Köln, Berlin oder Hamburg, wo der Abstiegskampf immer auch als Jobkiller für den Trainer wirkt.

Nur den Mann mit dem markanten Schnauzbart haben sie in der Nische weiterarbeiten lassen, wofür der 48-Jährige sehr dankbar ist: „Man hat nie das Vertrauen in mich verloren – und ich habe nie an der Mannschaft gezweifelt.“ Seit Wochen verblüfft sein Team mit einer intelligenten Strategie, die imposantes Pressing mit immenser Leidenschaft paart.

Ausführliche Antworten

Ganz egal, wer sich den Verkannten und Verstoßenen in den Weg stellt: Torwart Simon Jentzsch, den Felix Magath in Wolfsburg vor Jahren in einer Halbzeitpause entsorgt hat, Verteidiger Jan-Ingwer Callsen-Bracker und Marcel Ndjeng, die in Leverkusen beziehungsweise beim Hamburger SV nicht den Durchbruch geschafft haben, Antreiber Axel Bellinghausen, der in Kaiserslautern als „Axel Ball-ins-Aus“ verspottet wurde, und Mittelstürmer Torsten Oehrl, der in Bremen nur ein einziges Bundesligaspiel gemacht hat.

Wer Luhukay danach fragt, wie er aus diesem Haufen ein konkurrenzfähiges Ensemble geschmiedet hat, erhält ausführliche Antworten. Es sei eine komplexe Angelegenheit und habe viel mit der Arbeit auf dem Trainingsplatz zu tun, erklärt der Trainer. Ausgerechnet in Mönchengladbach kann der stille Bessermacher nun den Klassenerhalt perfekt machen.

Aus dem Borussia-Park haben sie Luhukuay im Oktober 2008 davongejagt, nachdem ihr Aufstiegstrainer die ersten sechs von sieben Bundesligaspielen verloren hatte. Seitdem ist er nicht mehr dort gewesen. „Den Aufstieg 2008 werde ich mein Leben nicht vergessen, wie uns 100.000 Menschen gefeiert haben. Leider haben die Gladbacher mit mir in der Bundesliga die Geduld nicht gehabt.“

Nicht mal Abschied habe er damals nehmen können, und trotzdem freue er sich „riesig auf das Wiedersehen“. Seine Anstellung in Augsburg im Juli 2009 avancierte zu „einer einzigen Erfolgsgeschichte“, wie Geschäftsführer Andreas Rettig erklärt. Der scheidende Rettig insistiert, der Trainer sei entscheidend dafür, „dass wir überhaupt den Kopf über Wasser halten können“, obwohl der Klub den kleinsten Personaletat der Liga verwalte.

Von der Familie getrennt

„Die Entwicklung des FCA ist noch nicht am Ende“, glaubt Luhukay. Vor wenigen Wochen sind neue Trainingsplätze an der Arena entstanden, von der Geschäftsstelle ziehen am Wochenende große Teile nach. Der Cheftrainer wohnt nur zwei Minuten vom Stadion entfernt. Wie so viele der aktuellen Bundesligatrainer lebt er von der Familie getrennt.

Seine Frau kommt meist zu den Heimspielen nach Augsburg, wo der Frühaufsteher Luhukay sich wundert, wie „schnell drei Jahre rumgegangen sind“. Doch wenn sich ältere Augsburger in ihrem schwäbischen Dialekt unterhalten, versteht er kein Wort.

Muss er auch nicht – solange die Augsburger Profis ihm folgen, hat die Stadt eine Attraktion, die als erstklassiges Aushängeschild allemal taugt. Auf die Frage, warum Augsburg in der Bundesliga bleibt, antwortet Luhukay: „Weil wir es verdient haben!“

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