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Abschluss des BildungsstreiksErneut Tausende auf der Straße

Zum Ende der Protestwoche gab es noch Massenveranstaltungen in Düsseldorf, Marburg und Heidelberg. StudentInnen besetzen bis Montag Universitätsgebäude in Marburg.

Nichts geht mehr: SchülerInnen und StudentInnen demonstrieren in Düsseldorf. Bild: dpa

BERLIN dpa/taz Tausende Schüler und Studenten sind zum Abschluss ihrer Streikwoche für bessere Bildung auf die Straße gegangen.

In Düsseldorf marschierten junge Menschen friedlich durch die Innenstadt, die Veranstalter sprachen von 5000 Teilnehmern. Anschließend blockierten einige hundert Demonstranten einen zentralen Platz in der NRW-Landeshauptstadt, nach zwei Stunden beendete die Polizei die Aktion. In Marburg hielten Studenten ein Universitätsgebäude über das Wochenende besetzt. Ein Ende der Aktion sei nicht absehbar, sagte ein Sprecher der Besetzer am Sonntag. In Heidelberg beendete die Polizei die Besetzung des Uni-Rektorats.

Finn Siebert vom Bündnis aus Studenten und Schülern, das zu dem "Bildungsstreik" aufgerufen hatte, sagte in Düsseldorf: "Das war ein gelungener Abschluss der Protestwoche und gleichzeitig ein gelungener Auftakt zu weiteren Protesten."

Bei den größten Bildungsprotesten seit Jahren hatten in dieser Woche Zehntausende für ein besseres Schul- und Universitätssystem protestiert. Sie forderten ein gebührenfreies Studium und ein gerechteres Bildungssystem. Schüler wandten sich gegen das "Turbo-Abitur" in 12 Jahren.

In Marburg hielten sich etwa 100 Studenten im Institut für Politikwissenschaft verbarrikadiert. Ein Abzug sei nur bei Zugeständnissen der Uni-Leitung denkbar. "Wir sind auf eine längere Besetzung eingerichtet", sagte ein Student. Die Uni-Leitung habe zugesagt, bis Montag auf eine Räumung zu verzichten.

In Heidelberg beendete derweil die Polizei eine seit Mittwoch andauernde Besetzung der Alten Universität durch Demonstranten. Nachdem das Rektorat Strafantrag gegen die Besetzer wegen Hausfriedensbruchs gestellt hatte, rückten am Samstagmorgen Polizeibeamte an und räumten das zweistöckige Gebäude. Der knapp vierstündige Einsatz verlief der Polizei zufolge "insgesamt friedlich", viele Besetzer ließen sich von den Beamten aus dem Gebäude heraustragen - die Personalien wurden aufgenommen. Gegen insgesamt 112 Besetzer wurden Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs eingeleitet. Rund 150 junge Menschen hatten die Alte Universität am Mittwoch nach einer Kundgebung besetzt.

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8 Kommentare

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  • S
    Sarah

    Wenige Tage nach dem Bildungsstreik finden die Spannungen einen neuen Ausdruck und haben Studierende der Freien Universität einen Film gedreht. “FU – Eine Gegendarstellung” ist die überzeugendere Reaktion auf einen FU-PR-Film, in dem sich die Uni selbst beweihräuchert: http://vimeo.com/5236964

     

    Ganz großen Respekt auch für die kreativen Ideen, die Umsetzung des Videos, die Teilnahme der wahrhaft intellektuell-reflektierten Wissenschaftler, die kurze Analyse der größten Fehlentwicklungen im Bildungssystem, die Stellungnahme für den Erhalt der Universität und Wissenschaft und ihrer überragend wichtigen gesellschaftlichen Korrektur-Funktionen u.v.a. – weiter so, kluge Geister braucht die Welt, das Land und immer mehr auch die Uni!

  • B
    Balsamico

    Abi in 12 Jahren und Bachelor-Master-Bolognamodule haben das Bildungssystem in kürzester Zeit komplett ruiniert, marktwirtschaftlicher Konformismus und Konkurrenzdenken in Ausbildungssilos haben vormalige intellektuelle Ansprüche ehemaliger Universitäten abgelöst.

  • C
    Carla

    Mit diesen vagen und nicht mal teilweise genügenden Ankündigungen der Überlegungen über evtl. nur geringste Veränderungen in 1 1/2 Jahren erschleicht man sich seitens der Bildungspolitik jetzt Ruhe vor der Bundestagswahl, so dass die Parteien sich nicht intensiv mit dem Thema befassen müssen, was schließlich sehr peinlich für diese

    wäre, ihr Versagen in der Vergangenheit umfangreich belegen würde und maßgeblichen Einfluss auf die Wahlergebnisse hat.

  • B
    Berenice

    Der Akademische Senat der HU-Berlin hat bis 2011 kleinere Veränderungen am Bologna-System angekündigt

     

    Das alles klingt doch sehr nach Flickschusterei, wer hat sich denn da wieder vorführen lassen?

     

    Keine Rede ist von so wichtigen Punkten des Bildungssystems wie Abschaffung der Bologna-Modularisierung, NC-Freiheit, Studienfinanzierung für alle...

     

    Ein erster Schritt wäre schon einmal zumindest bis zur Bologna-Abschaffung das Masterstudium für alle einzurichten, aber nicht mal zu diesem Mindestschritt konnte man sich entschließen.

     

    Damit hat man nun alle Beteiligten mit Kleinigkeiten abgespeist und versucht so, die Luft aus dem berechtigten Protest zu nehmen. Es ist doch immer das selbe, es werden unrealistische Hürden aufgestellt und Fakten geschaffen, indem ein völlig inakzeptables System wie Bologna eingerichtet wird. Damit werden Universitäten quasi abgeschafft und zudem konstant miserabelst unterfinanziert. Dann gibt es kleine und lächerliche Zugeständnisse, womit sich in der Folge viele schon zufrieden geben. Es ist doch immer das gleiche mit der Manipulierbarkeit der Massen, ein Armutszeugnis für die Bildung im Land.

  • H
    Heinrich

    Es ist zu begrüssen, dass es derzeit eine kleine gemeinsame Kommunikation in Berlin gibt, die zumindest offen für dringende und nur logische Reformen und ein gemeinsames Vorgehen zu sein scheint. Ob dem tatsächlich so ist, wird man erst in Kürze merken. Jedoch solle man sich nicht von den vielgestaltigen wichtigen Reformbedarfen entfernen und nur improvisierte Tropfen auf die heissen Steine akzeptieren. Bologna ist und bleibt falsch, die Argumente kennen wir alle hinlänglich. Warum soll es auch einen weltweiten gemeinsamen Hochschulraum mit den gleichen Abschlüssen und nahezu Inhalten geben? Einen gesunden Wissenschafts-Wettbewerb, Innovationen und Kreativität entstanden und entstehen gerade durch kulturelle Verschiedenheiten, auch die auslandsinteressierten und international studierenden Studenten waren unter den etablierten Uni-Abschlüssen Diplom, Magister und Staatsexamen höher, einen global identisch und uniform Standardausgebildeten braucht und will niemand. Deutschland und sein Bildungssystem leiden ausschließlich unter diesen schlechten neuen Abschlüssen, einzige Lösung ist die sofortige Abschaffung, was auch rechtlich und tatsächlich unproblematisch möglich.

  • P
    Philipp

    Bildung ist wesentlich systemrelevanter als Kontenbuchhaltung.

     

    Die Banken haben ihre 400 Milliarden schon, wo bleiben die ersten 400 Milliarden für die Bildung?

  • S
    Samuel

    Im Spiegel wird unter dem Titel "Wer ist hier die Elite?" über die Gewinner des Plakatwettbewerbs zum Thema Elite berichtet.

     

    "...Für sie steht die Suche nach den Besten vor allem für Auslese, Ausgrenzung, verstärkte Ungleichheit. Denn waren die Eltern Akademiker und damit elitär, werden auch die Kinder welche - sozialer Aufstieg, wie schon seit Jahrzehnten, so gut wie ausgeschlossen. Wer mit dem goldenen Löffel im Mund geboren wird, hat es leichter...".

     

    Auch ist für mich nicht fraglich, was die wahre Elite ist, der kommerzielle Karrierist, der die Welt weiter ruiniert, oder der maximal gebildete Intellektuelle, der sie rettet. Freilich würde sich letzterer aufgrund überlegenen Geistes nie als Elite bezeichnen.

     

    Positiv sieht Elite jedenfalls auch in dem o.g. Wettbewerb keiner, ein Eliten-Wettbewerb ist folglich unnötig, vielmehr geht es um max. Bildung, Kreativität und Kritikfähigkeit für alle, denn daraus entstehen wirklich große Leistungen.

  • M
    Matthias

    Auch bisher ist das Institut für Politikwissenschaften in Marburg nicht geräumt worden, die Uni-Leitung kündigte allerdings den Einsatz von "Kampfmitteln" an, sollte die Blockade weiterhin aufrecht erhalten werden.

    Die Besetzer sind engagiert und scheinen weiterhin einen langen Atem zu haben; mittlerweile werden eigene Workshops, Seminare, etc. gehalten. Heute: "Kritische Intellektuelle" - Vortrag und Diskussion mit Stephan Heidbrink

     

    Liebe Grüße,

    Matthias