Abschiedsstimmung bei Karstadt: Füller, Stoffreste und Matjessalat
Ein Besuch bei Karstadt am Hermannplatz in Berlin - vielleicht ja, denkt man, zum letzten Mal.
Karstadt am Hermannplatz, in Berlin kennt das jeder. Es ist sehr lange her, dass das zwischen 1927 und 1929 im Stil amerikanischer Kaufhäuser erbaute Gebäude das modernste seiner Art in Europa war. Damals hatte es neun Stockwerke gehabt, es gab eine Badeanstalt, eine Sporthalle, einen Kinderspielplatz mit Karussels, mehrere Gaststätten und einen 4.000 Quadratmeter großen Dachgarten. Am Anfang arbeiteten 4.000 Menschen hier. Kurz vor Ende des Krieges war es dann zerstört worden. Zwischen 1950 und 1951 viergeschossig wieder aufgebaut, wurde bis in die 90er immer wieder da und dort was angebaut.
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Ich gehe hier ziemlich häufig einkaufen. Es gibt ja ansonsten nicht so viele Orte, an denen man ungezwungen mit so vielen unterschiedlichen Mitbürgern zusammentrifft. Außerdem ist der Blick vom Karstadtdach immer noch super und die Lebensmittelabteilung ist sehr gut. Es gibt zum Beispiel verschiedene Apfelsaftsorten für sechs Euro. Aber auch englische Chipssorten und die besten Matjessalatsorten in ganz Kreuzberg und Neukölln.
Die Füllerabteilung ist auch hervorragend und der Mitarbeiter, bei dem ich seit mehr als zehn Jahren immer wieder Füller kaufe (die ich dann immer wieder verliere), äußerst höflich, nett, kompetent und sympathisch. Die Sportartikelabteilung hatte mich vor einigen Jahren damit zum Stammkunden gemacht, dass sie ohne zu murren dreimal hintereinander Fußballschuhe, die dann doch nicht richtig passten, umtauschte. Und in der Vorhang- und Stoffresteabteilung hab ich sicher viele - vielleicht nicht ganz glückliche, aber doch sehr lehrreiche - Monate meines Lebens verbracht.
Gern stand ich auch immer wieder bei den Aquarien im Tierparadies des Kaufhauses, trieb mich unschlüssig und verwirrt in der Herrenbekleidung herum, schaute mir neue Fernseher an oder ging in letzter Zeit oft nach halb fünf über den Dächern von Kreuz-Kölln was essen, weils ab da nur die Hälfte kostet.
Die Nachrichten von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten machten mich traurig. Und führten dazu, dass ich nun zweimal in der Woche vorbeischaue, um mir irgendwas zu kaufen. Am Tag der Insolvenz war die Stimmung bedrückt. Die Mitarbeiter, denen ich was abkaufte, waren auf eine fast anrührende Art nett. Mir kam es auch so vor, als seien die Kunden auf eine zurückhaltende Weise, wie gegenüber Kranken, freundlicher an den Kassen. Im Erdgeschoss lief beschwingte Schlagermusik aus den 70ern. Erst jetzt fiel mir auf, dass die Spielzeugabteilung "Imaginarium" heißt.
Irgendwie ist es enttäuschend, dass das Ende von Karstadt nur schleichend geschehen wird. Als Kunde fände ich es eigentlich schöner, wenn man alle Sachen nun zu Spottpreisen verkaufen würde, bis alles leer ist, und am Ende gibt es dann ein tolles Feuerwerk mit Freibier. Wie schade, dass ich Karstadt nicht helfen kann!
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