Abschied: Otto Sanders letzter Vorhang

Künstler und Politiker begleiten den toten Mimen auf dem letzten Weg zum Dorotheenstädtischen Friedhof. Klaus Wowereit: „Berlin sagt Danke“.

Der Schauspieler Otto Sander. Ewiges Licht leuchte ihm. Bild: dpa

Es hätte auch ein Staatsbegräbnis sein können: Eine silberne Limousine vorweg, dahinter Verwandte, Freunde und über 700 Trauergäste des kulturellen und politischen Berlin begleiteten den Sarg des großen Schauspielers Otto Sander am Samstag auf dem Weg zum Dorotheenstädtischen Friedhof.

Einer Show glich der Abschied von Sander, der am 13. September mit 72 Jahren in Berlin verstorben war, dennoch nicht. Bemerkenswert still – trotz vieler Würdigungen – reihten sich die Akte der Beisetzung aneinander: Ein paar Filmbilder, Worte, Lieder und Texte zur Erinnerung an den Mimen im Zuschauerraum des Berliner Ensembles (BE). Der schwere letzte Weg hinüber zum Friedhof an der Chausseestraße, wo auch Bert Brecht und Helene Weigel liegen. Dann war der Sarg verschwunden – Abgang, Vorhang Sander. Zurück blieben die Trauernden, ein blauer Himmel und die Geräusche der nahen Stadt.

War‘s das? Eine Redewendung besagt, wirklich tot ist man, wenn sich niemand mehr an dich erinnert. So gesehen wird Otto Sander nie ganz vergessen sein. Schon bei der Beerdigung war diese Besinnung spürbar. Sanders Stimme klang im Ohr. Sein Gesicht, seine Rollen waren präsent, Geschichten über und von ihm gleichfalls.

Otto Sander war und ist physisches, mediales und akustisches Gedächnis: Seit 1965 stand er auf der Bühne und vor der Kamera. Er gehörte Peter Steins Ensemble der Schaubühne am Halleschen Tor an. Sein clowneskes, melancholisches Seehundgesicht, der wässrige Blick, die Coolness bleiben unvergesslich – so wie fast alle seine Rollen von „Jedermann“ über „Otto Spalt“, „Der Himmel über Berlin“ und „Das Boot“ bis zum „Toten Gleis“. Et cetera.

Unvergesslich ist auch seine Reibeisen-Stimme. Jürgen Flimm, Intendant an der Berliner Staatsoper, erinnerte im BE an Sanders „unverstellten Ton“ und meinte damit sowohl den rauen Sound des Sprechers und Erzählers Sander als auch die Authentizität des Spiels des Schauspielers, das er wie die wirklich ganz Großen, Charles Chaplin, Humphrey Bogart oder Peter Falk, beherrschte.

Otto Sander wird auch die Legendenbildungen, die sich in die Trauerfeier mischten, überleben. Wo so viele Theaterleute und Politikpromis zusammenkommen wie auf dem Friedhof, ist das nichts Außergewöhnliches. Immerhin: Sanders Ehefrau, die Schauspielerin Monika Hansen, die Kinder Ben und Meret Becker, machten dabei wenig mit. Ebenso verhielten sich die alten Kollegen aus Schaubühnenzeiten, wie Eva Mattes, Corinna Kirchhoff, Gerd Wameling, Edith Clever oder Ernst Stötzner – obwohl diese die besten Geschichten von ihm kennen.

Den Toten sprachen andere heilig: BE-Intendant Claus Peymann oder Ex-Schaubühnendirektor Schitthelm, der Sander vom „Schauspielerhimmel“ herunter gucken sah. Und Klaus Wowereit. Er erklärte Sander posthum zum Ur-Berliner, der Sander ja ein wenig war: „Er war Berlin, einer von uns. Wir werden Otto Sander vermissen, aber nie und nimmer vergessen. Berlin sagt Danke!“

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