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Abschied vom Finanzausgleich16 gegen Schäuble

Jahrzehntelang war Bremen Haushaltsnotlage-Land, Bayern drohte gar mit einer Länder-Neugliederung. Diese Epoche ist 2020 dank Ländersolidarität zu Ende.

Für mehr Kohle: Sieling verhandelt mit Haseloff, Merkel und Schäuble Foto: Michael Kappeler (dpa)

„Nach mehreren Jahrzehnten steht Bremen nicht mehr am Pranger“, sagt Bürgermeister Carsten Sieling (SPD), „unsere Erwartungen und Hoffnungen haben sich voll erfüllt“. Und seine Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) verkündet das „Ende der finanzpolitischen Aussichtslosigkeit“. Sie meinen den neuen Länderfinanzausgleich, der ab 2020 gelten soll.

Zwei Zahlen machen den Sprung deutlich: Im laufenden Jahr 2016 rechnet das Land Bremen mit einer Neuverschuldung von mehr als 500 Millionen Euro. 2020 soll es keine Neuverschuldung mehr geben, stattdessen bekommt Bremen 500 Millionen Euro. Ohne Bedingungen, ohne Befristung – 400 Millionen Euro davon sind ein sogenannter „Belastungsausgleich“, den sonst nur das Saarland bekommt. Bis zum Jahre 2019 muss Bremen seinen Haushalt um diese 500 Millionen Euro zusammenstreichen, das sieht der Stabilitätspakt so vor, und dann gibt es plötzlich so viel, dass man es kaum vernünftig ausgeben kann.

Wenn man die Bremer Bürgermeister fragt, wie dieses Ergebnis zustande gekommen ist, dann erklärt Linnert: Die 16 Bundesländer haben vor zwei Jahren eine Strategie vereinbart – und zusammengehalten. Kein Land hat sich aus der Ländersolidarität „herausgekauft“. Nie habe sie so etwas erlebt, sagte Linnert. Am Ende der Verhandlungen hat sich die Bundeskanzlerin auf die Seite der Länder geschlagen, weil sie ein Ergebnis wollte.

In der langen Nacht der Verhandlungen stritten am Ende alle mit dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Als alles vorbei war, sagte CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer: „Nun verstehe ich den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras“ – Schäuble wollte die Bundesländern offenbar genauso gängeln wie Griechenland.

Als der Finanzminister am Tag danach auf der Pressekonferenz gefragt wurde, wie er das Ergebnis der Nacht bewerte, sagte er mürrisch: „3 minus.“ Woraufhin der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), seinem Parteifreund sogar widersprach und „1 minus“ antwortete.

Es heißt, dass es Schäuble dabei weniger um das Geld gegangen sei, dass der Bund für den Kompromiss drauflegen muss. Schäuble wollte vielmehr für das Geld den Ländern Kompetenzen abnehmen – und hat damit ihre Solidarität befördert. Ihm bleiben nur die Integration der Autobahnverwaltungen in eine Bundesautobahngesellschaft und mehr Möglichkeiten in der Schulpolitik: Mit den Hilfen für Kommunen aus Bundesmitteln kann auch ein bisschen gesteuert werden.

Für Bremen ist die Frage nun, was man mit dem Geldsegen nach dem Jahre 2020 machen soll. Alles in die Schuldentilgung zu stecken? Es würde Jahrzehnte dauern, bis Bremen schuldenfrei wäre. Und wenn der Stadtstaat das Schuldenniveau anderer Bundesländer erreicht hat, könnten die anderen Bundesländer auf die Idee kommen, den Belastungsausgleich zu streichen. Für Linnert ist klar: „Es muss nicht Ziel des Staates sein, gar keine Schulden mehr zu haben.“

Es muss nicht Ziel des Staates sein, gar keine Schulden mehr zu haben.

Karoline Linnert, Finanzsenatorin

Wenn im April 2017 der neue Finanzausgleich juristisch in Gesetzesform gegossen ist, geht es um die Frage, wie viele Schulden Bremen tilgen muss und wie viel es investieren darf. Das beste wäre, den Stabilitätsrat davon zu überzeugen, dass die Sparquote 2019 nicht ganz so drastisch ausfallen muss – mit Blick auf den Geldsegen 2020.

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1 Kommentar

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • „Es muss nicht Ziel des Staates sein, gar keine Schulden mehr zu haben.“

     

    Die Wohltaten von heute führen die nächste Generation in die Schuldknechtschaft.

     

    Wer das vermeiden will, muss die Gelegenheit nutzen, um Bremen zu entschulden.

     

    Frau Linnert bringt leider das genaue Gegenteil zum Ausdruck. Also: Wenn wir das Geld nicht verballern, sondern Bremen entschulden, dann sind wir nicht mehr in Finanznot. Das wäre aber ganz schlecht. Dann würden diejenigen die besser wirtschaften uns irgendwann kein Geld mehr geben, um es zu verballern.

     

    Das ist doch nun wahrhaftig keine solide finanzielle Zukunftsplanung.

    Bremen muss alles tun, um aus eigener Steuer- und Finanzkraft leben und überleben zu können. Ganz ohne fremdes Geld zu verballern. Bremen muss raus aus der Schuldenfalle. Linnert möchte es in der Schuldenfalle verrecken lassen.