: Abschiebung statt Vernehmung
■ Glasmoor: Häftling mißhandelt, Anhörung verschleppt?
Nach der Revolte im Herbst vergangenen Jahres wurden im Abschiebeknast Glasmoor Häftlinge mißhandelt. Das zumindest behauptete unmittelbar danach der Abschiebegefangene Kwame Nantwi aus Ghana, der laut Anzeige selbst „fünf Ohrfeigen“ von Wachleuten erhielt. Doch Nantwi ist zu seinen Vorwürfen nie vernommen worden. Gestern wurde bekannt, daß er am 6. Januar abgeschoben wurde.
Nantwi, damals „zu seiner eigenen Sicherheit“ (Gefängnisleitung Glasmoor) ins Hamburger Untersuchungsgefängnis verlegt, erstattete am 22. November über seinen Anwalt Björn Stehn Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, die den Vorgang bereits bearbeitete. Drei weitere Zeugen, darunter ein Opfer, hätten die Mißhandlung beobachtet, heißt es dort. Und: „Herr Nantwi ist sich sicher, die Täter bei einer Gegenüberstellung wiederzuerkennen.“ Weil Stehn eine baldige Abschiebung befürchtet, bittet er um die „unverzügliche richterliche Vernehmung der Zeugen“. Wochenlang jedoch passiert nichts.
Erst eine Nachfrage der taz bei der zuständigen Kieler Staatsanwaltschaft bringt Anfang Januar Bewegung in die Sache. Von nun an geht alles sehr schnell. Am 5. Januar weist die Staatsanwaltschaft Kiel die Kripo Norderstedt-Ost an, die Zeugenvernehmung „noch heute“ durchzuführen. Das bestätigte gestern Oberstaatsanwalt Dr. Horst-Alex Schmidt. Keine 20 Stunden später ist Nantwi außer Landes. Peter-Eckhard Kelch, Sprecher der Hamburger Innenbehörde, erläuterte den Ablauf: Am Nachmittag sei ein Fax aus Norderstedt im Hamburger Landeskriminalamt eingegangen, das das Ersuchen um die „zeugenschaftliche Vernehmung des Gefangenen“ an die „Präsidialstelle 3“ (Ps3) weitergab - bis letzte Woche für Ermittlungen bei Amtsdelikten zuständig. Ps3 wiederum wandte sich „nach 16 Uhr“ an den Notdienst der Kieler Staatsanwaltschaft. Eine rein polizeiliche Vernehmung halte man für ungeeignet, es müsse schon eine richterliche Vernehmung sein, die höhere Beweiskraft habe. Die aber, so Ps3, sei angesichts der unmittelbar bevorstehenden Abschiebung nicht mehr möglich. Daraufhin verzichtete die Kieler Staatsanwaltschaft auf die Vernehmung.
Ps3 habe „völlig sauber gearbeitet“, so Behördensprecher Kelch. Warum die Abschiebung nicht wenigstens bis zur Vernehmung verschoben wurde, konnte Kelch gestern nicht begründen. Staatsanwalt Schmidt: „Gut finde ich das nicht, daß man Zeugen so einfach laufen läßt.“ Zum Glück aber seien drei andere Zeugen noch da, die Ermittlungen würden andauern.
Nantwi hatte viereinhalb Monate in Abschiebehaft gesessen; wie es ihm nach seiner Abschiebung erging, ist unbekannt. Fritz Gleiß
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