Abschiebeknast Grünau: Umfassend versorgt
Nach dem Suizid eines Häftlings warnt der Innensenator vor Schuldzuweisung und weist grüne Kritik zurück.
Nach dem Suizid eines Tunesiers im Abschiebegewahrsam Köpenick hat der Senat Kritik an der Betreuung des 28-Jährigen zurückgewiesen. Es gebe keine Schuld Dritter, sagte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) am Montag im Innenausschuss. Die Suizidabsicht sei für die Mitarbeiter nicht erkennbar gewesen. Vertreter der Grünen hatten kritisiert, der Mann sei nicht haftfähig gewesen. Körting entgegnete, ein Psychologe habe im Dezember anders entschieden.
Der 28-Jährige war am Neujahrsmorgen an den Folgen eines Suizidversuchs gestorben. Er hatte sich am 30. Dezember in seiner Zelle an Schnürsenkeln erhängt. Laut Flüchtlingsrat war er der erste Gefangene, der sich in dem Gefängnis das Leben nahm.
Nach Angaben von Polizeipräsident Dieter Glietsch hatte eine Psychologin bei dem Tunesier unter anderem Aggressivität und mangelnde Anpassungsfähigkeit festgestellt, eine Einweisung in die Psychiatrie sei aber nicht für notwendig befunden worden. In Köpenick seien jederzeit Sanitäter, ein Arzt und ein Psychologe verfügbar oder in Rufbereitschaft, fügte Glietsch hinzu. Sanitäter hätten den 28-Jährigen nach dem Suizidversuch umgehend wiederbelebt. Er sei aber bewusstlos geblieben und dann an den Folgen mangelnder Sauerstoffversorgung des Gehirns gestorben.
Der Mann war laut Glietsch über Italien und Österreich nach Deutschland gekommen und hatte bei den Behörden in München im November angekündigt, einen Asylantrag zu stellen. Die bayrischen Beamten verwiesen den Tunesier der Zuständigkeit halber nach Chemnitz, wo er jedoch nicht auftauchte. In Berlin beging er im Dezember unter anderem Diebstähle. Es sei schrecklich, dass ein Mensch gestorben sei, der sich außer Kleinigkeiten - "nur weil er illegal hier war" - nichts habe zuschulden kommen lassen, so Körting. "Trotzdem muss man sich davor hüten, andere dafür verantwortlich zu machen."
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