Abriß für den Aufschwung

In Dulsberg wird heute eine Mieterin zwangsgeräumt, weil die Stadt einen Gewerbehof errichten und Arbeitsplätze schaffen will  ■ Von Heike Haarhoff

Bis zum Auszug sind es nur noch wenige Stunden. Heute um 10.45 Uhr wird Manuela Hausmann ihre Wohnung in der Krausestraße 102 in Dulsberg verlassen müssen; für diese Uhrzeit hat das Amtsgericht Hamburg die Zwangsräumung terminiert. Die junge Frau zieht nicht freiwillig aus, und wohin, sagte sie gestern, wisse sie auch noch nicht: „Ich habe zwar eine andere Wohnung, aber erst ab 1. Mai.“

Drei Wochen sind bis dahin zu überbrücken, die sie gern noch in der Krausestraße gewohnt hätte. Doch darüber läßt die Stadt, der das Grundstück gehört, nicht mehr mit sich reden. „Wir können nicht länger warten“mit dem Abriß von Hausmanns Wohnung sowie der bereits verlassenen Gewerbeschuppen, Werkstätten und Büro-Pavillons, bedauerte gestern der Rechtsdezernent des Bezirks Nord, Bodo Lewin.

Auf ihrem Grundstück plant die Stadt einen Gewerbehof für ExistenzgründerInnen, finanziert aus Mitteln des Armutsbekämpfungsprogramms: In Dulsberg, Hamburgs Stadtteil mit dem statistisch niedrigsten Durchschnittseinkommen, will die Stadt Arbeitsplätze schaffen für bis zu 20 Betriebe. Doch für den wirtschaftlichen Aufschwung müssen die alten Gebäude abgerissen werden. „Wir hätten längst anfangen müssen“, rauft sich Lewin über den Zeitverzug und die „drohenden Schadensersatzforderungen“die Haare: Ein Rechtsstreit um Kündigungen und Ausgleichszahlungen, der in der heutigen Zwangsräumung gipfelt, kam dazwischen.

Seit den 70er Jahren hatte die Stadt die Fläche an die mittelständische Firma Dittrich-Bau verpachtet, die dort ein Lager unterhielt. Als die Stadt vor rund eineinhalb Jahren den Bau des Gewerbehofs beschloß, wurde der Pachtvertrag nicht verlängert. Geschäftsführer Frank Dittrich verlagerte seine Hallen nach Norderstedt, ließ, so berichtete er gestern, den Firmensitz aber in Hamburg.

Gar nicht einverstanden war Dittrichs Untermieter, die Hamburger Sanitärtechnik-Firma Molitor: „Wir haben nie eine Kündigung bekommen“, bestreitet Geschäftsführer Holger Molitor gegenteilige Behauptungen Dittrichs. Deswegen seien weder er noch Manuela Hausmann, die als Unter-Untermieterin eine Art Pförtnerhäuschen bewohnt, ausgezogen. Erst als die Stadt einschritt, die laut Lewin „von dem Untermietverhältnis erst gar nichts wußte“, wich Molitor vor wenigen Wochen ins benachbarte Barmbek aus. Sein Betrieb ist von sieben auf drei Beschäftigte geschrumpft, „das liegt an der hohen Miete, die ich jetzt zahlen muß“.

Doch den Vorwurf, Arbeitsplätze und Wohnraum zu vernichten, wies die Wirtschaftsbehörde gestern von sich: „Wir“, so Sprecher Bernd Meyer, „bieten den Firmen generell Ausweich-Grundstücke an“. Das Problem der „preislichen Konkurrenzfähigkeit“sei bekannt. Auch Manuela Hausmann, versichert Rechtsdezernent Lewin, habe man Ersatzwohnraum angeboten. Den aber konnte oder wollte sie – je nach Sichtweise – nicht annehmen.