Abmahnwahn gegen Blogger: Jako und die "Schlurchmarke"

Der Sportausrüster Jako geht gegen einen Blogger vor, der sich negativ über die Marke und dessen neues Logo äußerte – und richtet damit einen Imageschaden an.

570 Kommentare. Bild: screenshot allesaussersport.de

Das neue Logo des Sportausrüsters Jako – das darf man hoffentlich schreiben – ist gewöhnungsbedürftig. Nur schwer ist etwa zu deuten, dass die beiden weißen Streifen für die Nebenflüsse des Neckars, Jagst und Kocher, stehen, aus denen sich der Name der Marke ableitet. Das fand unter anderem das mit dem Grimme Online Award ausgezeichnete „Design Tagebuch“.

Auch der Blogger Frank Baade kritisierte im April unter seinem Alias „Trainer Baade“ das neue Logo des vor allem im Amateursport bekannten Herstellers von Teamsportbekleidung. Für den 35-jährigen Duisburger hatte dies Konsequenzen: Der Sportausrüster ließ den Blogger wegen "unzulässiger Schmähkritik" und "Bedrohung der wirtschaftlichen Interessen" verklagen. Da eine der Äußerungen wirklich die Form einer reinen Meinungsäußerung überschritt, zeigte sich Baade einsichtig.

Er war bereit, diese Formulierung zu unterlassen, genauso wie das nicht im Duden auftauchende Wort "Schlurchmarke". Die anderen beiden beanstandeten Passagen, darunter Vergleiche mit Aldi und Lidl, wurden nicht in der Unterlassungserklärung verankert. Baade unterzeichnete die Unterlassungserkklärung, löschte umgehend den Artikel auf seinem Blog und zahlte 400 Euro, womit die Sache für ihn zunächst erledigt war.

Doch Anfang August sah er sich plötzlich mit einer empfindlichen Vertragsstrafe konfrontiert: Auf einem in Tschechien angemeldeten, in Deutschland unbekannten Nachrichten-Aggregator war Baades ursprünglicher Text noch einmal aufgetaucht. Jako wertete dies als Vergehen gegen die Unterlassungserklärung und forderte die Zahlung von 5.100 Euro.

Und das, obwohl sich Baade zuvor kooperativ gezeigt hatte - er wollte einem teuren Rechtsstreit aus dem Weg gehen. Jakos Rechtsabteilung moniert, dass Baade die Spuren seines Texts nicht komplett aus dem Web getilgt habe. Die Frage, ob Baade deswegen schuldhaft gegen die Unterlassungserklärung verstieß, wird wahrscheinlich nicht gerichtlich geklärt werden können. "Mit der geforderten Summe hat mich die andere Partie ja dazu gezwungen, einen Anwalt einzuschalten. So sind für mich auf jeden Fall schon Kosten entstanden", erzählt Baade. Mehr Risiken wolle er eher nicht eingehen, auch wenn seine Chancen vor Gericht gar nicht so schlecht stehen mögen.

Gerade erst hat der Sportjournalist Jens Weinreich dargestellt, wo die Probleme in solchen Rechtsfällen liegen. Weinreich errang in einem ähnlichen Fall mit dem Präsidenten Theo Zwanziger des mächtigen Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sechs juristische Siege, musste letztlich aber in einem Vergleich klein beigeben, weil der DFB drohte, vor immer höhere (und damit teurere) Instanzen zu gehen. In der Zeit hatten sich für den Journalisten bereits mehr als 20.000 Euro Anwaltskosten und Verdienstausfälle angesammelt.

So ist auch die Entrüstung in der Blogosphäre zu verstehen. Die Online-Community schäumt jedenfalls, seitdem der Blogger Kai Pahl die Geschichte gestern publik machte. Auf seiner Homepage allesaussersport gibt es nach zwei Tagen bereits mehr als 500 Kommentare und Verlinkungen. Dazu haben sich diverse weitere Blogs und hunderte Nutzer auf Twitter des Themas angenommen. Man muss diese Zahlen nennen, da nach Pahls und Baades Berechnung den ursprünglichen Artikel im April gerade mal rund 400 Leute gelesen hatten.

Ein Beispiel für den so genannten "Streisand-Effekt": Der Versuch, die Verbreitung einer Information mit aller Kraft zu unterdrücken, führt zu einer deutlich stärkeren Verbreitung. Dies ist auch in diesem Fall zu beobachten: Baade erfährt eine große Welle der Solidarisierung, Jako dagegen wird (kurzzeitig) zum Hassobjekt der Netzgemeinschaft.

Die Diskussion um die Marke Jako hat nun also eine vollkommen neue Dimension erreicht. Die Kritik richtet sich dabei nicht allein gegen den Sportausrüster und seine Anwältin, sondern auch gegen den fehlenden rechtlichen Schutz für Blogger vor willkürlichen Abmahnwellen. Viele sehen die Meinungsfreiheit im Internet gefährdet.

Beim mittelständischen Sportausrüster aus dem württembergischen Hollenbach hat man den drohenden Imageschaden derweil erkannt. Seit Dienstag arbeitet man im Hintergrund an einer Lösung mit Baade, ließ bereits die angedrohte Vertragsstrafe fallen. „Sie meinten, die Forderung sei ein ganz normaler Vorgang. Der wäre sofort erledigt gewesen, wenn meine Anwälte geantwortet hätten, dass ich keinerlei Verantwortung für und Zugriff auf den genannten Nachrichten-Aggregator gehabt hätte“, berichtet Baade.

Darüber hinaus sei ihm auch angeboten worden, den noch ausstehenden Teil der Ursprungsforderung sowie eine Einigungsgebühr, die im Rahmen der Unterlassungserklärung zustande kam – zusammen knapp 1.500 Euro – zu tilgen. Allerdings solle Baade dafür einen neuen Beitrag auf seinen Blog stellen, in dem er das kooperative Verhalten der anderen Seite erwähnt.

Andrea Hay von der Jako-Pressestelle ließ mitteilen, dass man an einer gemeinsamen Stellungnahme mit Herrn Baade arbeite, womit wohl der Beitrag auf dessen Blog gemeint ist. Auf Anfrage antwortete sie zudem: „Der Sachverhalt, wie er derzeit auf diversen Internetseiten dargestellt ist, stimmt nicht.“ Für ausführlichere Informationen stand sie allerdings nicht zur Verfügung, genauso wenig, wie die Anwältin des Sportausrüsters, die zurzeit im Urlaub weilt.

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