Abmahnung fallen gelassen: Jako entschuldigt sich
Der Sportartikelhersteller Jako entschuldigt sich und verzichtet auf weitere Forderungen an den Blogger mit dem Pseudonym "Trainer Baade".
BERLIN taz | "Wir haben überreagiert." So überschreibt Jako seine Presseerklärung. Und da hat Jako recht: Die Sportfirma hat überreagiert. Und vor allem hat Jako – wie schon viele Firmen vor ihr – die Macht des Netzes unterschätzt.
Was war passiert? Der Blogger Frank Baade hatte im April das neue Jako-Logo unter anderem als "Schlurchmarke" bezeichnet und Vergleiche mit Aldi und Lidl gezogen. Jako reagierte ungnädig, schickte eine Unterlassungserklärung und die Forderung, 400 Euro zu zahlen. Baade löschte den Artikel, zahlte die 400 Euro und unterschrieb die Unterlassungserklärung – er zeigte sich kooperativ, denn er wollte die Sache aus der Welt haben.
Dass der Text ihm noch einmal Ärger machen würde, damit rechnete Baade nicht. Im August allerdings tauchte seine Schmähkritik plötzlich wieder aus den Tiefen des Netzes auf – auf dem in Tschechien angesiedelten Nachrichten-Aggregator newstin.de. Dort wurde ein Auszug seiner Logokritik wiedergegeben, zusammen mit einem Link auf sein Blog. Jako wertete das als Verstoß gegen die Unterlassungserklärung und forderte prompt die dort verzeichneten 5.100 Euro, die bei einem Bruch zu zahlen wären.
Einen Text, der von einem tschechischen Newsagregator lediglich als Auszug wiedergegeben wird, als Bruch einer Unterlassungserklärung zu werten, ist saftig: Das fand auch die versammelte Netzgemeinschaft. Schon häufiger waren bekannte oder weniger bekannte Blogger Opfer des Abmahnwahns geworden.
Eine Abmahnung ist eine Aufforderung, ein bestimmtes Verhalten in Zukunft zu unterlassen. Auch wenn die meisten Abmahnungen immer noch an Shopbetreiber gehen – zum Beispiel Markenrechtsverletzungen bei Ebay – werden auch immer wieder Blogger abgemahnt.
Mit Hilfe teurer Abmahnungen wollen die Firmen Blogger zwingen, bestimmte Informationen aus dem Netz zu nehmen. Sie rechnen damit, dass die Blogger durch die hohen Abmahngebühren eingeschüchtert werden und aus Angst vor einem noch teureren Gerichtsverfahren klein beigeben.
In letzter Zeit fällt dieses "mit Kanonen auf Spatzen schießen" allerdings immer häufiger auf die abmahnende Firma zurück: Denn die Abgemahnte wehren sich – mit der einzigen Waffe, die sie besitzen: Öffentlichkeit. Sie skandalisieren die Abmahnung und hoffen, dass ihnen dabei viele Gleichgesinnte aus dem Netz helfen. Und das funktioniert gar nicht schlecht.
Die Welle funktioniert, wenn sie funktioniert, mithilfe des so genannten "Streisand-Effektes". Der basiert darauf, dass eine Information um so beliebter wird, je mehr Druck ausgeübt wird, dass sie verschwindet. Benannt ist der Effekt nach Barbara Streisand: Die hatte einen Fotografen, der ein Foto ihres Hauses im Netz veröffentlicht hatte, auf 50 Millionen US-Dollar Schadensersatz verklagt.
Erst durch Streisands Klage wurde die Aufmerksamkeit für das Foto geweckt, bei der Auswertung der Nutzungsstatistiken wurde offenbar, dass unzählige Mensch das Bild im Internet geklickt hatten – der "Streisand-Effekt" war geboren.
Dieser Effekt rettete nun auch den Blogger mit seinem Pseudonym "Trainer Baade": In kürzester Zeit sah sich Jako mit einer Flut schlechter Presse konfrontiert. Die Information über den spektakulären Abmahnfall hatte sogar die Online-Offline-Schranke durchbrochen. Jako hatte nun nicht nur schlechte Presse in den Blogs und in kleinen Online-Zeitungen, auch Zeitungen wie die Süddeutsche Zeitung oder das Handelsblatt interessierten sich für den Fall – mit Sympathien für den Blogger.
Der Image-Schaden war da. Und da blieb Jako nicht mehr viel außer einer ordentlichen Entschuldigung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!