"Abmahn-Anwalt" verurteilt: Bewährungsstrafe für von Gravenreuth
Weil er Mandanten in zwei Fällen Geld aus zivilrechtlichen Vergleichen vorenthalten hatte, wurde Abmahnanwalt von Gravenreuth zu elf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.
MÜNCHEN taz Einst war Günter Freiherr von Gravenreuth der gefürchtetste "Abmahn-Anwalt" der deutschen Internet-Community. Doch die Hoch-Zeit der juristischen Geldschneiderei, von der auch die taz betroffen war, scheint sich ihrem Ende zu zuneigen. Am Mittwoch wurde von Gravenreuth vom Landgericht München I im Berufungsverfahren rechtskräftig zu elf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.
In der Berufungsverhandlung, bei der sich der Angeklagte von einem Pflichtverteidiger vertreten ließ, wurden nach einer Verfahrensabsprache die Ergebnisse zwei bereits bestehende Urteile zusammengefasst. In zwei gleichartigen Fällen hatte der Münchner Anwalt im Jahr 2002 seinen Mandanten Geld vorenthalten, das er in zivilrechtlichen Vergleichen für seine Mandanten ausgehandelt hatte. Eigentlich leitet ein Anwalt solch ein Geld sofort an seine Mandanten weiter, "auskehren" heißt der juristische Fachbegriff. Doch von Gravenreuth hat das Geld stattdessen einbehalten.
Bereits am 1. Februar diesen Jahres war in München deswegen ein Urteil gegen den Münchner Anwalt ergangen, 7 Monate auf Bewährung hieß es am Ende, weil von Gravenreuth 2321,80 Euro veruntreut hatte. Dazu kamen am Mittwoch nach der Berufungsverhandlung noch einmal 6 Monate durch ein zweites Verfahren. Der selbstständige Internet-Anbieter Elmar Dommer aus dem nordrhein-westfälischen Städtchen Langenfeld hatte Anfang 2000 von Gravenreuth ein Mandat gegeben, um einen Streit über eine Internetadresse zu klären. Die Sache endete in einem Vergleich, 6.000 Euro zahlte die Gegenseite an Dommer. Oder vielmehr an das Kanzleikonto, doch von Gravenreuth "kehrte" das Geld nicht aus. Erst in diesen Tagen bekam Dommer einen Teilbetrag überwiesen.
Auch bei der taz arbeitete von Gravenreuth mit unsauberen Mitteln. Der Anwalt hatte die taz im Jahr 2006 wegen einer unverlangt zugeschickten Newsletter-Mail abgemahnt. Der Verlag zahlte die Verfahrenskosten in Höhe von 663,17 Euro, doch von Gravenreuth erklärte, keine Geld erhalten zu haben und wollte deshalb die Internetadresse www.taz.de der taz pfänden und versteigern lassen. Die taz konnte dann aber das Gegenteil beweisen und stellte ihrerseits Strafantrag. In der ersten Instanz verurteilte das Amtsgericht Berlin-Tiergarten von Gravenreuth entsprechend wegen versuchten Betrugs zu sechs Monaten Freiheitsstrafe - ohne Bewährung. Die Berufung steht noch aus. Der Vorsitzende Richter Thomas Farnbacher erklärte am Mittwoch mit Blick auf dieses taz-Verfahren: "Jetzt muss von Gravenreuth sein Glück in Berlin suchen." Die gerade ausgesprochene Bewährungsstrafe würde bei einem weiteren Schuldspruch in Berlin mit einfließen. Das jetzige Urteil ist nach Angaben des Gerichts das zweite rechtskräftige gegen von Gravenreuth. Der Anwalt war bereits im Jahr 2000 in München wegen Urkundenfälschung in 60 Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt worden.
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