piwik no script img

Abhören von Internet-TelefonatenZypries blufft bei Überwachung

Trotz anders klingender Äußerungen hält die SPD-Justizministerin das Abhören von Internet-Telefonaten mittels Hacker-Software für nicht zulässig.

Fingerhakeln hinter den Kulissen: Innenminister Schäuble und Justizministerin Zypries Bild: dpa

FREIBURG taz Scheinbar ging Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) am Wochenende beim Streit um die heimliche Ausspähung von Computern auf Innenminister Schäuble (CDU) zu. Doch offensichtlich hat sie nur geblufft. "Telefonate, die über das Internet geführt werden, können heute schon abgehört werden", sagte sie der Welt am Sonntag. "Viele, die lautstark die Überwachung der Internetkommunikation von potenziellen Terroristen fordern, wissen offenbar gar nicht, dass dies in weiten Teilen nach geltendem Recht schon möglich ist." Probleme sehe sie nur bei der technischen Umsetzung, darum sollten sich die Sicherheitsbehörden kümmern.

Diese Aussagen klingen so, als sei Zypries zumindest ein Stück weit auf Schäubles Linie eingeschwenkt. Auch das Springer-Blatt interpretiert sie so. Im Innenministerium ist man nämlich der Meinung, dass die so genannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) heute schon zulässig ist. Verschlüsselte Internet-Telefonate könnten dabei abgehört werden, indem die Polizei direkt an der Audio-Schnittstelle des Computers ansetzt, bevor das Telefongespräch verschlüsselt wird.

Auf Nachfrage der taz hat ein Sprecher Zypries' jetzt aber klargestellt, dass sich die Justizministerin gar nicht bewegt hat und die rechtliche Zulässigkeit der Quellen-TKÜ nach wie vor "prüft" - wie schon seit Wochen. Für eindeutig zulässig halte sie nur das Abhören unverschlüsselter Internet-Telefonate. Das dürfte aber, gerade im terroristischen Millieu, eher die Ausnahme sein. Skype, der bekannteste Anbieter von Internet-Telefonaten, transportiert die Daten zum Beispiel verschlüsselt.

Für das Abhören verschlüsselter Skype-Telefonate wäre in der Regel ein heimlicher Zugriff auf private Festplatten mittels Hacker-Software erforderlich. Dafür sieht Zypries aber nach wie vor keine rechtliche Grundlage - auch wenn dabei nicht der Inhalt der Festplatte ausgeforscht, sondern "nur" Telefongespräche mitgelauscht würden. Damit ist auch ein Kompromiss verbaut, über den Beobachter in den letzten Tagen spekulierten: Zypries akzeptiert den Bundestrojaner für die Überwachung der Internet-Telefonie sofort, während Schäuble beim heimlichen Kopieren von Festplatten auf die im Frühjahr erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum NRW-Verfassungsschutzgesetz wartet.

Auch bei der E-Mail-Überwachung bietet Zypries kein Entgegenkommen an. Zwar betont sie in der "Welt", dass Emails heute schon "mitgelesen werden können". Doch auch hier seien nur unverschlüsselte Mails gemeint, betonte ihr Sprecher auf Nachfrage. Das Problem der Polizei bei der Überwachung der Fritz-G.-Zelle bestand aber darin, dass diese ab Anfang August ihre Mails nur noch verschlüsselt absandten - weshalb die Ermittler blind wurden.

Hier hätte zwar ein "Key-logger" helfen können, der die Tastatureingaben protokolliert. Doch auch dies hält Zypries derzeit für unzulässig. Zwar würde auch hier Telekommunikation kontrolliert, was im Prinzip bereits zulässig ist, doch auch diese Software müsste heimlich auf dem Computer des Verdächtigen installiert werden. Außerdem könnte die Polizei nicht nur beim Schreiben von Emails mitlesen, sondern auch beim Eintippen von Texten, die nur auf der Festplatte gespeichert werden sollen. Das wäre dann aber eindeutig keine TKÜ-Kontrolle mehr, sondern eine Online-Überwachung der Festplatte, für die eine eigene gesetzliche Grundlage erforderlich ist, wie der Bundesgerichtshof im Februar feststellte.

Die vermeintliche Bewegung von Zypries sollte der SPD also offensichtlich vor allem Zeit für weitere interne Klärungen verschaffen. Siegesgewiss verwies Schäuble am Wochenende auf SPD-Parteichef Kurt Beck, der sich schon mehrfach unter leicht erfüllbaren Bedingungen für eine SPD-Zustimmung zu Online-Durchsuchungen ausgesprochen hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!