■ Wahlen in Mostar: Probelauf für die Teilung Bosniens?: Abgekartetes Spiel
Alles war schon vorher entschieden. Die beiden großen Nationalparteien der Kroaten und der Muslime erwarteten ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Ein Kroate sollte Bürgermeister werden und ein Muslim Präsident des Neretva-Kantons. Friedlich die Macht sich zu teilen und die durch den Krieg abgesteckten Gebiete zu bestätigen, das war die Absicht. Und die EU-Administration spielte mit. Das Wahlsystem wurde auf die Interessen der beiden Nationalparteien zugeschnitten, kleinere Parteien behindert. Auch daß die Presse- und Meinungsfreiheit auf der Strecke blieben, kümmerte die EU nicht. Daß sie sich nach den Wahlen aus Mostar zurückzuziehen kann, zählt für sie mehr, als eine echte Demokratisierung einzuleiten.
Mit dem leichten Vorsprung der muslimischen „Liste für ein vereintes Mostar“ wurden aber Begehrlichkeiten geweckt, die den schönen Plan durchkreuzen können. Da im Osten plötzlich einige die Absprache in bezug auf den Bürgermeister in Frage stellen, wird der Widerstand der kroatischen Extremisten geweckt. Und das könnte zu Eruptionen führen. Denn diese Kroaten sind keineswegs gewillt, sich den Muslimen zu beugen. Die kürzliche Ernennung des nationalistischen Extremisten und ethnischen Säuberers der Nachbarstadt Capljina, Pero Marković, zum Ministerpräsidenten des nicht anerkannten kroatisch-bosnischen Staates Herceg-Bosna, war ein deutliches Signal. Deshalb wird sich die Führung der Muslime Mostars zweimal überlegen, ob sie diesen Vorteil nutzt. Zwar wollen beide Seiten Spannungen erzeugen, um die eigenen Reihen geschlossen zu halten – den Muslimen kann jedoch nicht daran gelegen sein, jetzt die Dinge auf die Spitze zu treiben. Deshalb ist es denkbar, daß doch ein Kroate Bürgermeister wird.
Solange die Machtstruktur der Nationalparteien intakt ist, solange die Bevölkerung sich in „Nationen“ aufteilen läßt und mehrheitlich loyal zu korrupten und mit dem kriminellen Untergrund verquickten Führern steht, haben demokratische Alternativen und die multikulturelle ausgerichtete Opposition keine Chance. Das ist eine der Lehren aus Mostar. Und es wird diejenigen im internationalen Spektrum bestätigen, die ohnehin die Teilung des Landes entlang ethnischer Linien befürworten. Das abgekartete Spiel aus Mostar ist auch so gesehen ein Probelauf. Erich Rathfelder
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen