Abgasskandal bei Audi: Ex-Audi-Chef kündigt Geständnis an
Im Prozess um den Dieselskandal will der frühere Audi-Chef Rupert Stadler gestehen, um sein Strafmaß zu mindern. Er saß bereits 2018 im Gefängnis.
Eine Erklärung Stadlers sei am 16. Mai geplant, sagten seine Verteidiger Thilo Pfordte und Ulrike Thole-Groll. Offen blieb aber, ob Stadler selbst sprechen wird oder seine Anwälte reden lässt. Zwei Mitangeklagte hatten Geständnisse von ihren Verteidigern verlesen lassen.
Weiterer Bestandteil der am Mittwoch geschlossenen Verständigung von Stadler, Gericht und Staatsanwaltschaft ist, dass Stadler nach dem Urteil eine Geldauflage von 1,1 Millionen an die Staatskasse oder an gemeinnützige Organisationen zahlt. Details dazu wie auch zum genauen Strafmaß wird das Gericht nach Angaben eines Sprechers erst im Urteil festlegen. Wenn das Gericht Stadlers geplante Erklärung als Geständnis anerkennt, müsste der 60-Jährige nicht erneut ins Gefängnis. Er saß 2018 bereits einige Monate in Untersuchungshaft und musste damals als Audi-Chef und Volkswagen-Konzernvorstand abtreten.
Der Prozess ist eines der prominentesten Gerichtsverfahren zur Aufarbeitung des Dieselskandals im Volkswagen-Konzern. Der Skandal um millionenfach manipulierte Abgaswerte war im September 2015 aufgeflogen. Seit September 2020 steht Stadler vor Gericht, zusammen mit dem ehemaligen Audi-Motorenchef und Porsche-Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz und einem Ingenieur.
Auf der Straßen wurden Abgaswerte nicht eingehalten
Hatz und der Ingenieur haben gestanden, Motoren manipuliert zu haben. Damit wurden laut Anklage gesetzliche Abgaswerte zwar auf dem Prüfstand, aber nicht auf der Straße eingehalten. Audi-Chef Stadler soll es nach dem Auffliegen des Skandals versäumt haben, den Verkauf der manipulierten Autos zu stoppen.
Das Gericht sieht einen Großteil der Anklagevorwürfe als so gut wie erwiesen an. Richter Weickert hatte deswegen allen drei Angeklagten Freiheitsstrafen von anderthalb bis zwei Jahren angedroht, die bei Geständnissen zur Bewährung ausgesetzt werden könnten. Bei dem Ingenieur stimmte die Staatsanwaltschaft einem solchen Deal ebenfalls zu, bei Hatz jedoch nicht. Allerdings ist das Gericht nicht an das Votum der Staatsanwaltschaft gebunden.
Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft Stadler ab September 2015 in der Verantwortung gesehen, weil ihm zu diesem Zeitpunkt die Manipulationen klar geworden seien. Seit März geht das Gericht aber davon aus, dass dies erst zehn Monate später der Fall gewesen sei. Damit wäre Stadler erst für ab Juli 2016 verkaufte Autos verantwortlich. Zudem kommt es laut Gericht bei Stadler nicht mehr auf in ganz Europa vertriebene Fahrzeuge an, sondern nur noch auf diejenigen, die an deutsche Vertragshändler und an Leasinggesellschaften des Volkswagen-Konzerns gingen. Das könnte Stadler vor bestimmten Schadenersatzforderungen bewahren.
Wochenlang hatten Stadlers Anwälte mit Gericht und Staatsanwaltschaft um die Bedingungen eines Geständnisses und einer Bewährungsstrafe gepokert. Besonders hart gerungen wurde hinter den Kulissen um die Geldauflage, wie Richter Weickert mitgeteilt hatte. Während die Staatsanwaltschaft 2 Millionen Euro gefordert hatte, hatten Stadlers Anwälte die vom Gericht genannte Summe von 1,1 Millionen Euro zunächst als zu hoch bezeichnet.
Gericht und Staatsanwaltschaft hatten auf Stadlers millionenschwere Vorstandsgehälter bei Audi und Volkswagen sowie auf sein Geld- und Immobilienvermögen verwiesen. Die Anwälte hatten eingewandt, Stadler habe derzeit kein Einkommen und müsse wohl auch die millionenschweren Prozesskosten tragen. Außerdem behalte Volkswagen wegen des mit Stadler 2021 geschlossenen Vergleichs bei einem Schuldspruch 4,1 Millionen Euro ein, hatte der Richter Stadlers Anwälte zitiert. Audi lehnte am Mittwoch eine Stellungnahme zu dem Strafverfahren ab.
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