"Abendzeitung"-Chef über Boulevard: "Das Leichte im Schweren"

Der neue Chefredakteur der "Abendzeitung", Arno Makowsky, stellt seiner Assistentin Erdbeeren hin und will das kriselnde Münchner Blatt zurück zum gehobenen Boulevard führen. Ein Antrittsbesuch.

"...und das Leichte seriös aufbereiten". Bild: screenshot abendzeitung.de

Es ist sein erster Job als Chefredakteur, trotzdem ist Arno Makowsky bemerkenswert ruhig. Er wäscht Erdbeeren ("Wenn man sich schon so schlecht ernährt, muss man wenigstens Erdbeeren essen") und stellt die Hälfte davon seiner Assistentin auf den Tisch ("Ich glaube, dass die Zeit der bad-guy-Chefredakteure vorbei ist"). Der Redaktionsschluss in einer Stunde ist noch weit weg. Im März ist der 46-jährige Makowsky umgezogen - von der Süddeutschen Zeitung, wo er den Lokalteil und zuletzt die "Panorama"-Seiten leitete, ein paar hundert Meter weiter zur Abendzeitung. Deren Klatschreporter Michael Graeter war Mitte der 80er Vorbild für die Figur "Baby Schimmerlos" aus der Fernsehserie "Kir Royal". In den letzten acht Jahren hat die einst legendäre Münchner Boulevardzeitung drei Chefredakteure verschlissen und ist in der Auflage schon lange von der Konkurrentin tz überholt worden.

Die Münchner Abendzeitung und ihr Nürnberger Ableger 8 Uhr Blatt gehört zu einer in Deutschland nicht mehr allzu reichlich vertretenen Spezies: den regionalen Boulevardtblättern. In München (AZ und tz) sowie Berlin (Kurier und B.Z.) gibt es jeweils zwei Titel. Dazu kommen der Express (Ausgaben für Köln, Düsseldorf, Bonn), die Morgenpost für Sachsen (Dresden, Chemnitz) und die Hamburger Morgenpost. Hauptkonkurrent aller Titel ist Bild - und macht mit eigenen Lokalausgaben erbittert Jagd auf die Regionalen: Deren Gesamtauflage ist seit 1998 um rund 365.000 Exemplare auf heute 1,08 Millionen gefallen. Zum Trost: 1998 verkaufte sich auch Bild noch knapp 4,5 Millionen Mal pro Tag - jetzt sind es gut 1,2 Millionen Exemplare weniger

taz: Herr Makowsky, Sie sind im Frühjahr von der erfolgreichen SZ zur dauerkriselnden Abendzeitung gewechselt. Warum?

Arno Makowsky: Es hat mich schon immer gereizt, das Leichte im Schweren zu finden und das Leichte seriös aufzubereiten - wie die Abendzeitung. Und so habe ich erst zugesagt und dann nachgedacht, als das Angebot kam. Zudem finde ich es reizvoll, mit einer kleinen Redaktion zu arbeiten, die schnell etwas bewegen kann und nicht erst eine Arbeitsgruppe gründen muss wie die SZ.

In den letzten zehn Jahren ist die Auflage der AZ um zwanzig Prozent gesunken - was ist Ihr Rettungsplan?

Zum einen wird München eine größere Rolle spielen, was zuletzt ein bisschen vernachlässigt wurde. Wir versuchen den Charme einzufangen - auch mit einem täglich beiliegenden Stadtmagazin. Zum anderen müssen wir unser Profil wieder schärfen gegenüber der Konkurrenz von tz und Bild. Früher mussten sich gutbürgerliche Leser nicht schämen, die AZ zu lesen - im Gegenteil. Dieser Unterschied ist etwas verwässert in den letzten Jahren. Durch unseren Relaunch kommen wir wieder zu diesem gehobenen Boulevard: Wir haben längere Texte, ein klareres Layout, gut geschriebene Kolumen, und wir bringen auch schwierigere Themen in die Zeitung - aber möglichst pfiffig.

Was ist an Aufmachern wie "Diese AZ ist zehn Euro wert" oder "Wieso München sexy ist" pfiffig?

Geistreiche Schlagzeilen schließen immer einen Teil der Leser aus. Deshalb reicht es uns, alle paar Tage eine kreative Schlagzeile zu haben, um unseren Anspruch zu dokumentieren. Aber dazu brauchen wir auch old fashioned-Aufmacher mit Serviceinhalten und auch mal eine Räuberpistole.

Mit dem "Panorama" tendiert inzwischen auch die dröge SZ in Richtung Boulevard - oder ist es umgekehrt so, dass sich die Abendzeitung den Qualitätszeitungen annähert?

Ich glaube, dass von beiden Seiten eine Annäherung stattfindet. Die Abozeitungen nehmen Themen auf, die früher Trash waren - ob Britney Spears oder Castingshows - und laden sie mit ein bisschen Ironie und Hintergrund auf. Damit servieren sie dem Leser die Boulevardwelt, geben ihm aber das Gefühl, sich nicht unter Niveau zu amüsieren. Ein guter Trick, der auch bei der AZ funktioniert.

Reicht Ihr Personal für so viel ironische Ausgeruhtheit?

Es stimmt, die Leute hier haben gerade sehr gut zu tun. Aber wir haben uns bei meinem Einstand für jeden Mitarbeiter überlegt: Entspricht die Aufgabe seinen Interessen und hat er Freude daran? Einige haben wir dann umplatziert, um die Truppe zu optimieren und zu motivieren.

Ein Vorgänger von Ihnen, Uwe Zimmer, hat vor mehr als zehn Jahren auch versucht, die AZ auf seriös zu trimmen. Funktioniert hat es nicht.

Uwe Zimmer wollte die Abendzeitung zu einer Art USA Today oder Washington Post machen. Bunt, kleinteilig, aber seriös - Infotainment. An diesen Ausgaben ist mir aufgefallen, dass man von alten Konzepten nicht lernen kann. Zeitungen sind immer ein Spiegel des Zeitgeistes.

Also würden Journalistentypen wie Sigi Sommer und Michael Graeter heute nicht mehr funktionieren?

Nein. Die waren beide zu ihrer Zeit toll. Heute wären sie aber zwei Kilometer neben der Spur.

Und funktioniert Ihre Abendzeitung 2008?

Natürlich erwarten wir so kurz nach unserem Relaunch keine Wunder, aber wir liegen im Plan. Im Übrigen glaube ich, dass eine gute Zeitung auch gekauft wird.

Wie lange haben Sie Zeit, daran zu arbeiten?

Da gibt es kein Limit. Aber ich habe das Gefühl, dass die Verlegerfamilie meine Ideen mit großer Ernsthaftigkeit unterstützt.

INTERVIEW: MAX HÄGLER

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