: Ab zur Ebert-Stiftung...
■ Berliner Koalitionskrach zwischen SPD und AL nach hessischem Muster?
KOMMENTAR
Daß der Regierende Momper in Berlin in Sachen Atomreaktor die rot-alternative Koalitionswand mit dem kahlen Kopf durchbrechen will, ist Bestätigung für einen Lehrsatz, mit dem GeschichtsstudentInnen in Einführungsseminaren konfrontiert werden: „Geschichte wiederholt sich nur als Farce.“ In Hessen ließ seinerzeit die SPD die erste rot -grüne Koalition dieses Planeten platzen, weil Ministerpräsident Holger Börner und sein Wirtschaftsminister Ulrich Steger treu zur Hanauer Plutoniumfabrik Alkem standen, obgleich ihre Partei auf diversen Parteitagen gegen die Plutoniumproduktion auf deutschem Boden votiert hatte. Prompt fanden sich die hessischen Sozialdemokraten nach den Neuwahlen des Jahres 1987 auf den Oppositionsbänken wieder und die Grünen konnten ein paar Prozentpunkte zulegen.
Will Momper etwa mit der Allgewalt des Regierungschefs seinen abgedankten Parteikollegen Börner von der Spitze der Friedrich-Ebert-Stiftung verdrängen? Oder steuert der Mann seine Partei direkt in eine große Koalition mit der CDU hinein - mit der Absicht, die gewaltigen Probleme einer vereinigten Bundeshauptstadt Berlin effektiver bewältigen zu können? Selbst wenn Momper mit diesem Gedanken spielen sollte, wird entscheidend sein, wer als stärkste Partei aus den Wahlen hervorgeht - Union oder Sozialdemokraten. Und da hat der Mann schlechte Karten, denn an der Parteibasis - und erst recht bei den potentiellen WählerInnen der SPD - stößt Mompers Kniefall vor dem christdemokratischen Bonner Reaktorsicherheitsminister Töpfer auf Unverständnis.
Wenn Sozialdemokraten reihenweise erklären, die atomare Entsorgungsfrage sei nach wie vor ungelöst, und sich der Sozialdemokrat Momper hinter einer Vierzeilenmitteilung Töpfers über die angeblich „gesicherte Entsorgung“ für seinen Berliner Forschungsmeiler versteckt, so steht das lassen wir's den Kanzler sagen - „außerhalb jeglicher Begreiflichkeit“.
Vielleicht treffen sich Momper und Börner nach den Wahlen in Berlin tatsächlich als Funktionäre der Ebert-Stiftung wieder - wenn nämlich die politisch unglaubwürdig gewordene SPD die CDU wieder zur stärksten Fraktion im Senat hat werden lassen und die Union den neuen Regierenden Bürgermeister stellt. Börner und Momper könnten dann über die guten alten Zeiten schwätzen, als man in Wiesbaden und Berlin noch die Welt bewegte. Abgedroschen, aber immer noch wahr: Neue Frauen und Männer braucht das Land. Frauen wie die Berliner Umweltsenatorin Michaele Schreyer.
Klaus-Peter Klingelschmitt
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