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Ab heute Streik in der Region

Erstmals seit rund 70 Jahren sollen Betriebe der Metall- und Elektroindustrie in Berlin-Brandenburg bestreikt werden. Gleichheit bei Arbeit und im Einkommen gefordert. Stolpe zeigt „viel Verständnis“

von PHILIPP GESSLER

Jetzt geht’s lo-os! Erstmals seit rund 70 Jahren sollen ab heute Betriebe der Metall- und Elektroindustrie in Berlin-Brandenburg bestreikt werden. Die IG Metall hat mit Beginn der Frühschicht 10.000 Beschäftigte in 25 Betrieben der Region zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Ziel des Streiks ist eine Lohn- und Gehaltserhöhung um 6,5 Prozent. Die Arbeitgeber hatten zuletzt 3,3 Prozent geboten.

Die Hauptstadt-Region ist für den bundesweit angelegten Streik von Bedeutung, da die Metaller des „Ost-West-Bezirks“ auch 13 Jahre nach dem Fall der Mauer immer noch unterschiedlich entlohnt werden: Zwar verdienen auch die Stahlkocher in den Ost-Betrieben den vollständigen West-Ecklohn. Sie müssen dafür aber drei Stunden länger arbeiten als ihre Kollegen im Westen: 38 statt 35 Stunden. Nach zwölf Jahren Einheit wachse der Wunsch der Belegschaften in den ostdeutschen Unternehmen, „mal gleichwertig zu sein“, erklärte der Bezirksleiter Berlin-Brandenburg der IG Metall, Hasso Düvel. Die Angleichung der Unterschiede bei der Arbeit und im Einkommen sei „eine der zentralen Forderungen“ des Streiks: „Wir werden nicht zulassen, dass der Osten tarifpolitisch abgehängt wird“, erklärte Düvel.

Der „Wirtschaftsweise“ Horst Siebert vom Kieler Wirtschaftsinstitut kritisierte den Arbeitskampf: „Vor allem in Brandenburg passt der Streik angesichts der hohen Arbeitslosigkeit überhaupt nicht in die Landschaft“, sagte er. Dem widersprach ein Kollege Sieberts vom Sachverständigenrat der Bundesregierung, Jürgen Kromphardt: Er könne kein mangelndes Verantwortungsbewusstsein der Gewerkschaften wegen der insgesamt vergleichsweise schwächeren wirtschaftlichen Lage in Berlin-Brandenburg erkennen. Schließlich seien auch in diesem Tarifbezirk die Verhandlungen abgebrochen worden.

Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) rief die Bevölkerung auf, „viel Verständnis“ für die zum Streik entschlossenen Stahlkocher zu zeigen. Er erwarte, dass der Lohnausgleich zwischen Ost- und Westdeutschland durch den Tarifstreit einen Schub erhalte. Ein Sprecher des regionalen Verbandes der Metall- und Elektroindustrie (VME) erklärte unterdessen, es werde kein neues Angebot geben. Die IG Metall solle sich überlegen, „ob sie eine weitere Tarifflucht verantworten kann“. Bisher arbeiteten nur 65.000 der 99.000 Beschäftigten auf Basis des Tarifvertrages.

Ein gemeinsamer Streik der Metaller und Elektroarbeiter der Region hat es seit dem Ende der Weimarer Republik nicht mehr gegeben. In der Nazizeit waren Streiks verboten – das galt ebenso für die DDR, bis zu ihrem Untergang. Auch in Westberlin zeichneten sich die Beschäftigten bis 1989 angesichts eines weit verbreiteten „Frontstadt“-Gefühls nicht durch große Streikfreude aus. Immerhin legten vor genau zehn Jahren erstmals auch Beschäftigte im Ostteil der Stadt und in Brandenburg bei einem Tarifkonflikt ihre Arbeit nieder, und zwar bei der Post und bei der Bahn. Ein Jahr später legten die Stahlkocher der Mark ihre Arbeit nieder. Ihre Forderung schon damals: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!

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