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Ab acht wurde Flagge gezeigt

■ Beim DFF waren Gefühl und „Verbrüderung“ angesagt, Selbstbewußtsein wurde allerdings vermißt

Ungeachtet der unsäglichen Güte der ARD, dem DFF ab 3.Oktober die Arbeit abzunehmen, brennen die Lichter in den Aldershofer Studios noch immer! Nicht zu fassen! Aber das ist eben echtes medienbrüderliches Mitgefühl: Nicht gleich den Hahn abzudrehen, auch wenn man es könnte, nein, eher schön langsam und dann mit Gefühl!

Haben die Kollegen des DFF aber nun am Einheitstag die „Chance“ genützt? Glücklich, immer noch auf dem Sender zu sein, können sie den Gedanken an ihren Arbeitgeber immer noch nicht — oder schon wieder nicht mehr? — verdrängen... und sendeten wie stets zuverlässig. Feierlich, euphorisch kam es uns, das Staatsprogramm im Ersten, mit Reden, klassischen Konzerten und Gottesdiensten, brandaktuell mit Hunderten von Schaltungen, Umfragen, Interviews und Stimmungsbarometern, auserlesen mit Showkolade und Alles singt, kindgerecht mit Trickfilm, Märchen und Tieren.

Gefühl war angesagt, und wenn doch mal ein paar Worte der Kritik nicht zu umgehen waren, folgte man zielsicher dem Tenor „Verbrüderung“, dabei konnte man, weiß Gott, nichts falsch machen. Auf die Tränendrüsen drücken, das kommt an einem solchen Tag immer an.

Weniger dagegen ein klar formulierter Standpunkt oder das, was man landläufig Identität nennt. Und so wartete man mit schmerzlich wenig Selbstbewußtsein auf; ließen die Damen und Herren Moderatoren kaum Transparenz in Hinblick auf ihre Rolle im Mediengerangel zu. Wie sollten sie's auch? Zu viele sind schon gegangen worden, und buchstäblich Tausende stehen noch auf der „Warteliste“, egal ob mit oder ohne politischer Altlast. Bei aller Diskussion aber, wie der Arbeitsplatz insbesondere für all jene, die ihre Nase „raushalten“, am besten zu retten sei, ob wendehälsisch oder bockig stolz — in einer Frage war man sich einig: kein nationaler Siegestaumel auf dem Sender, Blick frei für Ereignisse und Meinungen aus aller Welt — wie wohltuend!

Es geht auf acht zu, und, nunmehr 20 Stunden vertraut mit dem Bundesdeutschsein, sind Steigerungen drin. Jetzt wird schon öfter mal Flagge gezeigt. Der Landessender Brandenburg fällt auf — seine Berichterstattung angenehm ausgewogen und witzig. Wer in dieser Stunde endgültig die Nase voll hatte von jeglichen „Deutschland-in-der-Nacht“-Gedanken und sich nicht um den viel zitierten Heine-Schlaf bringen wollte, der entschied sich möglicherweise für die zweite Ostalternative: Fußball, Abenteuerfilm und Krimi, mit anderen Worten Action. Da sparte man sich die gefährlichere Straßenvariante und ward's zufrieden. Oder nicht?

Noch acht Wochen bis zu einem möglichen Ostdeutschen Rundfunk (ODR), wenig Zeit, um auf politische Entscheidungen zu warten, zu wenig Zeit auch um zu überlegen, was zu tun ist. Frische und Spontaneität, aktuelle Informationen und Unterhaltung, Selbstironie und Witz — das wird sicher mehr oder weniger vom ODR erwartet — aber auf jeden Fall mehr Charisma! Maike Overbeck

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