Ab 2008 müssen Einwanderer entscheiden: Deutsch oder nicht deutsch?!
Zuwandererkinder müssen ab 2008 entscheiden, ob sie Deutsche oder Ausländer sein wollen. Experten halten den Passus des Gesetzes zur Staatsbürgerschaft für verfehlt.
Deutsch oder nicht deutsch: Diese Frage müssen von Januar 2008 an tausende von jugendlichen Einwanderern beantworten. Sie müssen sich mit dem Erwachsenwerden entweder für oder gegen die deutsche Staatsangehörigkeit entscheiden - und damit oftmals für oder gegen die Nationalität ihrer Eltern.
Nach heftigem politischem Streit wurde vor acht Jahren entschieden, dass nach 1990 geborene Kinder von Ausländern einen deutschen Pass bekommen können. Voraussetzung: Der Vater oder die Mutter haben mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt. Als Erwachsene müssen die Einwandererkinder sich dann allerdings zwischen der deutschen Staatsangehörigkeit und der ihrer Eltern entscheiden. In den ersten Fällen steht diese Pass-Wahl nun an.
Experten halten den Entscheidungszwang für unsinnig. Die Abschaffung des Optionsmodells, wie das Gesetz offiziell genannt wird, sei "nicht nur rechtspolitisch wünschenswert, sondern auch verfassungsrechtlich geboten", schreibt Astrid Wallrabenstein von der Universität Gießen in einem Gutachten für den Innenausschuss des Bundestags. Für sie ist es nicht akzeptabel, dass Kinder aus binationalen Ehen zwei Pässe haben können - in Deutschland geborene Kinder von Ausländern aber nicht. "Es darf nicht eine bestimmte Gruppe von Staatsangehörigen verpflichtet werden, ihre Hinwendung zum deutschen Staat durch eine Entscheidung bei Volljährigkeit zu bezeugen", so Wallrabenstein. Auch der Frankfurter Rechtswissenschaftler Rainer Hofmann vertrat bei einer Anhörung im Bundestag vor Weihnachten die Meinung, dass der Entscheidungszwang abgeschafft werden sollte - und in Deutschland geborene Kinder von Ausländern uneingeschränkt die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben können. Das jahrelange Ziel der deutschen Politik, Mehrstaatlichkeit so weit wie möglich zu verhindern, hält er für überholt. Zwei Pässe zu haben, sei ein "gesamteuropäischer Trend", schreibt Hofmann. Die doppelte Staatsangehörigkeit entspreche der Lage der Betroffenen, "die häufig starke emotionale, persönliche, rechtliche und soziale Bindungen an zwei Staaten haben".
Politische Mehrheiten für eine solche Gesetzesänderung gibt es freilich derzeit nicht. Und wird es auch in absehbarer Zeit nicht geben. Zur Erinnerung: Roland Koch (CDU) hatte im Februar 1999 nach einer umstrittenen Unterschriften-Kampagne gegen die von der rot-grünen Regierung geplante doppelte Staatsbürgerschaft die Landtagswahl in Hessen gewonnen. Weil sich gleichzeitig die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat änderten, mussten Grüne und SPD einen Kompromissvorschlag der FDP aufgreifen: das sogenannte Optionsmodell. Dass die große Koalition sich ausgerechnet an dieses Gesetz nochmals heranmacht, gilt als ausgeschlossen.
Von Januar an werden sich die ersten Jugendlichen deshalb Gedanken machen müssen, welcher Pass es für sie sein soll. Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, empfiehlt Betroffenen, mit ihrer Entscheidung so lange wie möglich zu warten. Denn laut Gesetz haben sie bis zu ihrem 23. Lebensjahr Zeit, sich verbindlich festzulegen. Danach rät Kolat zum Pokern. Sprich: Man solle versuchen, den deutschen und den türkischen Pass zu behalten. "Wir werden ja sehen, ob es dann zu Gerichtsverfahren kommt", sagte Gemeindechef Kolat am Donnerstag der taz.
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