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Berliner SzenenAb 15k Follower

Ich hab Influencer

100 Gäste sind da. Es gibt Essen für eine ­fünfköpfige Familie

Freitagnachmittag. Das Wetter ist wunderschön. Ein Loft in Kreuzberg, der Glaskasten wird langsam zum Gewächshaus. Nicht zuletzt durch die üppige Blumendeko. Wir haben hier Kunst aufgehängt. Mit Panzertape an die Wand geklebt, das Blumenfräulein lächelt schief. Uns läuft der Schweiß. Wir warten auf der Dachterrasse. Ich fühle mich ungeduscht und habe Hunger. Langsam kommen die ersten Gäste, mir hat immer noch niemand gesagt, was eigentlich los ist.

Dann erscheinen zwei halbnackte Rapperinnen. Interessant, denk ich, wie geht das jetzt zu der Blumendeko? Die eine ist ganz aufgeregt, und ich verstehe endlich: Aha, ein Influencer-Dinner. Oder auch nicht. Zum Essen geladene Insta-Stars. Gibt’s da’ne Untergrenze? Ab 15k Follower bist du dabei? Noch bin ich offen für alles und allgemein interessiert. Als Normalsterbliche hat man auf so einem Influenza-Dinner schließlich nichts verloren. Inzwischen sind so etwa 100 Gäste da, alle superschick, superwichtig, super ausgerüstet. Ich frage mich, ob niemand mit mir redet, weil ich zu viele Gehirnzellen habe.

Dann die erste Enttäuschung: Es gibt Essen für eine fünfköpfige Familie. Ich lerne: Insta-Stars essen nicht, sie snacken höchstens. Ich laufe also fünfmal zum Buffett und bin immer noch hungrig. Währenddessen gruppieren sich die Internet­sternchen um ihre Selfieapparate, manche lassen sich fotografieren, andere taggen, was das Zeug hält, um die Business­partner bei Laune zu halten.

Ich stelle dabei fest, dass sich diese Menschen, abgesehen von der Selfiewut, äußerst befremdlich benehmen. Bloß mit niemandem reden, den man nicht kennt. Hauptsache, das Outfit sitzt. Profilieren, profitieren. Wie schön, dass so etwas in Berlin möglich ist, denke ich mir. Und dann wird mir schlecht. Ich glaub, ich hab Influencer.

Marie Beckmann

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