: AVA: Einstige Volks-AG schlingert
■ „Oppositionelle“ Aktionäre wollten mehr Einfluß und riefen: „Wir sind das Volk“
Trotz eines Wachstums von 54 Prozent im letzten Jahr auf einen Umsatz von 3,7 Milliarden DM steckt die Bielefelder AVA (Allgemeine Handelsgesellschaft der Verbraucher AG) in einer gefährlichen Krise. Eine außerordentliche Hauptversammlung am Dienstag in Gütersloh endete wie das Hornberger Schießen. Die AVA, Betreiberin von sechs Ladenketten (u.a. „Marktkauf“, „Basar“, „Dixi“) mit rund 12.000 Beschäftigten, war ursprünglich als „Volksaktiengesellschaft“ konzipiert worden, deren Anteile vor allem für MitarbeiterInnen und KundInnen gedacht waren. Doch seit das Unternehmen an die Börse gegangen ist, hat es seinen ursprünglichen Charakter verloren.
Aus der Genossenschaftszeit ist eine Stimmrechtsbeschränkung der AktionärInnen geblieben: Unabhängig von seinem Kapitalanteil hat jedeR AnlegerIn nur ein Stimmrecht von höchstens einem Tausendstel des Gesamtkapitals. Dieses Höchststimmrecht ist einer „Oppositionsgruppe“ unter den AktionärInnen schon lange ein Dorn im Auge. Sie fordert „das ganz normale Recht“, ihrem Kapitalanteil entsprechend auf das Unternehmen Einfluß zu nehmen. Die Limitierung sei lediglich ein Instrument des selbstherrlichen Vorstandes, sich vor der Opposition zu schützen. „Wir sind das Volk“, riefen mehrere unterdrückte Kapitaleigner mutig in den Saal.
Die Oppositionsgruppe verfügt über ein wirksames Druckmittel: Sie ist stark genug, um eine Erhöhung des Gesellschaftskapitals zu verhindern. Das Unternehmen braucht aber dringend neues Geld, um seinen Expansionskurs fortzusetzen und den Börsenkurs zu halten. Dennoch lehnt der Vorstand einer Abschaffung des Höchststimmrechts ab: Er befürchtet, ebenso wie der Betriebsrat, daß dann das Unternehmen von einem Großinvestor geschluckt würde.
Weder Vorstand noch Opposition konnten sich am Dienstag durchsetzen: Die Kapitalerhöhung wurde blockiert, die Stimmrechtsbeschränkung bleibt. Nun soll eine neue Hauptversammlung einberufen werden.
Stephan Stolze
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen