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AUTONOMER ORGANSPENDER

Daten:

Geburtsjahr:''75

Farbe:.‘.'rot

Stärke:.‘.'45

X-tras:.‘.'1 Aschenbecher

Lebensberecht.:.‘.'ca. 7 Monate

Es war im Juni letzten Jahres, als ich mich plötzlich für immer von ihm trennen sollte. Er war alt.

Die Sorge, ihn durch seinen gesundheitlichen Zustand bedingt, schon früher aus dem Leben scheiden zu sehen, bewegte mich schon seit längerem. Mehrere Operationen und Transplantationen der Rosta-Dermis haben ihn zu einem Prestolit-Bomber verstümmelt. Ihm war es egal, und er rollte tagein, tagaus, bis zu diesem besagten Junitag.

Nach einer unvermeidlich, rechtwinkligen Kollision mit einem blauen Kombi-Bruder rissen seine noch nicht verheilten Narben wieder zu klaffenden Wunden. Er hatte sein Gesicht vollständig verloren (s. Abb. 1). Er war schuldlos und alt.

Kaum war die letzte Kompression seines Herzens getan, kamen auch schon die Helfer in Not. Er war tot. Nach einer zügigen Ausstellung des Totenscheins und einer Erörterung des Tathergangs, warteten jetzt formelle Aufgaben, um sein endgültiges Schicksal zu besiegeln. Ein Notar mußte her, um über die Höhe seines Erbes zu entscheiden. Ich wußte, er hatte es nie zu viel gebracht. Nach einer gründlichen Obduktion stand fest, ich sollte erben. Auf Vorlage diverser Krankenhausrechnungen wurden mir DM 2.200,- zugesprochen. Für seine Organe erhielt ich einen Restwert von DM 50,-, wobei ich glaube, daß es für Spenderqualität nicht mehr ausreichte. Er war alt und ich reich.

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