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„AUFKLÄRUNG“ ÜBER GENUA: ITALIENS PROTESTKULTUR WIRD ZERSTÖRTAufmärsche statt Demonstrationen

Nein, Genua war kein Ausrutscher. Die Brutalität war rundum gerechtfertigt – dies ist die These, die Italiens Polizei jetzt im parlamentarischen Untersuchungsausschuss lanciert. Die „Weißen Overalls“ seien eine altbekannte Randaletruppe. Da blieb halt nichts als „Knüppel frei“. Zudem sollen Abhörprotokolle schon von Mai und Juni beweisen, die „Tute bianche“ hätten Polizei und Politiker in den Verhandlungen „getäuscht“ und seien deshalb für die Zusammenstöße verantwortlich, zusammen mit dem ganzen Genoa Social Forum.

Doch wenn die Polizei durch hundertfache Lauschangriffe so hervorragend im Bilde war: Wie konnte sie sich „täuschen“ lassen? Und wenn sie die „Tute bianche“ seit Jahren als schlimme Finger kennt – wie konnte sie mit ihnen verhandeln? Genuas geschasster Polizeipräsident setzte noch eins drauf: In geheimen Absprachen mit den „Weißen Overalls“ habe er das symbolische Eindringen einiger Demonstranten in die Rote Zone konzediert.

Diese Konzession wurde dann schon weit vor der Roten Zone ohne Ansage kassiert, per Schlagstock, Tränengas, Einkesselung; am Ende lag ein Toter auf der Straße. Nein, die bestens observierten „Tute bianche“ haben sich nicht geändert. Geändert hat sich Italiens Polizei. Sie kündigte das ungeschriebene Regelwerk, das jahrelang zwischen Ordnungshütern und Demonstranten herrschte – das Platz ließ für zivilen Ungehorsam und für rituelle Scharmützel mit der Polizei. Kurz: für Dissens.

Doch nun buchstabierte die Polizei brutal vor, dass für Dissens kein Platz mehr ist, dass Demonstrieren im rechts regierten Italien neue Risiken und Nebenwirkungen mit sich bringt. Dummdreist unterstreicht die Polizeiführung in ihrer Nach-Genua-„Aufklärung“, dass ebendies die Botschaft war. Politischer Deckung darf sie sich sicher sein. Die Rechtsregierung liefert gleich Rezepte, wie man im neuen Italien auch in Zukunft risikofrei demonstrieren kann. Agrarminister Gianni Alemanno von den Exfaschisten schlägt vor, im Herbst eine Million Menschen zu mobilisieren, zu einer Demo für die Polizei und die Regierung. Oder sollen wir sagen: fürs Regime? MICHAEL BRAUN

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