AUF DER FLORASTRASSE : Apokalypsenwetter
Pankow an einem Sonntag. Die Luft draußen ist genauso wie bei uns im Badezimmer, wenn man nach dem Duschen das Fenster nicht aufmacht. Bewölkt und 20 Grad Celsius Mitte Oktober.
„Apokalypsenwetter“, sagt Paul. Wir gehen spazieren. Falls die Welt jetzt untergeht, wollen wir vorher noch mal draußen gewesen sein. Wäre ja blöd: Sitzt man den ganzen Tag am Schreibtisch und arbeitet, und dann guckt man mal aus dem Fenster, weil einem grad nichts einfällt – und zack! ist die Welt untergegangen und man war nicht mal mehr im Park spazieren.
Ich habe mich extra hübsch gemacht. Mein Kleid geht nur von hier bis da. „Findest du den Ausschnitt zu krass?“, hab ich Paul gefragt. – … – „Paul?“ – „Was? Entschuldige. Ich hab dir grad nich zugehört. Wie bitte?“
Auf der Florastraße kommt uns ein Pärchen entgegen. Die Frau trägt einen ähnlichen Mantel wie ich. Halblang, bis zum Knie. Auf dem Kopf ein Hut, vor den Augen eine Sonnenbrille, am Ohr ein Handy. Ein Mann läuft neben ihr. Wie er aussieht? Keine Ahnung. Mein Blick klebt an der Frau fest. Wie die Blicke aller Menschen in der Florastraße, die zur selben Zeit in die gleiche Richtung schauen wie ich. Die Frau hat nämlich wirklich ganz ernsthaft und ohne Scheiß nur einen Schlüpfer an. Einen Schlüppi. Eine Unterhose. Und Strapse. Beides schwarze Spitze. Ich habe keine Ahnung mehr, was sie obenrum anhatte. Vielleicht eine Korsage. Irgendwas Dunkles jedenfalls. Meine Erinnerung ist ganz auf die hellen Stellen in der Mitte fixiert. „Apokalypsenwetter“, murmelt Paul.
Zwei Tage später treffe ich einen Freund. Er ist Psychiater. „Da gibt es so Gruppen im Internet“, erzählt er mir. „Da verabreden sich Leute, um ihre Fantasien auszuleben.“ – „Im Schlüppi die Florastraße langzulaufen?“ – „Zum Beispiel. Es gibt auch Leute, die sich mit Gasmaske in die U-Bahn setzen.“ – „Dann lieber Schlüppis!“ LEA STREISAND