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AUF DEM WAHRHEITSTRIP

■ „Die Konferenz der Vögel“ im „Ensemble Theater“ am Südstern

Ein Spatz quält sich plattfüßig durch die Wüste. Aufgebrochen, den König der Vögel zu suchen, vergewaltigt er seine flatterhafte Spatzennatur und zwingt sich zur Beständigkeit. Doch sein Gelübde, zu Fuß die Wüste zu durchqueren, wird von der Bußübung schließlich zum Selbstzweck und einzigen Mittel seiner Identifikation. Die Absurdität dieses verqueren Ehrgeizes gelingt dem geduckt humpelnden und kullernden Joaquim Candeias durch seine Körpersprache zu vergegenwärtigen.

Solche präzisen und komischen Bilder sind leider selten in der Konferenz der Vögel. Die epische Szenenfolge von der Suche nach dem König, die für die von Kleinmut und Versagungsängsten geplagten Vögel zum Trip der Selbsterkenntnis wird, hat die Gruppe „Janus-Theater“ in der Regie von Rainer Beck nach einer persischen Dichtung des 12. Jahrhunderts gebastelt. Warum ausgerechnet eine Dichtung, die in die Mysterien der Sufis einführt und von allen historischen Differenzen menschlicher Sehnsüchte und gesellschaftlicher Werte abstrahiert, um ewig gültige Erkenntnis-Ziele in einer Kette von Gleichnissen zu formulieren, als Vorlage gewählt wurde, bleibt uneinsichtig. Es sei denn, man unterstellt dem Off-Theater, selbst als Trainingslager für die Tugenden des Entsagens und als Läuterungs-Workshop funktionieren zu wollen.

Auf dem Treffen der Vögel impft der Wiedehopf (Ina Gottmann) der staksigen Schar die Sehnsucht nach ihrem König ein; allein - was diese Begierde anderes ausgelöst hat als die Geheimniskrämerei des Wiedehopfs, ist nicht nachzuvollziehen. Um Anteilnahme an den späteren Kämpfen der Selbstüberwindung zu erwecken - den Siegen über Eitelkeit, Angst und Unsicherheit, dem Abstreifen der Gelüste nach Reichtum und Macht, der Selbstaufgabe und Wiederentdeckung in der Allheit - kurz am ganzen Spektakel der Initiation wäre eine Vorstellung dessen notwendig, was sich die Vögel, menschliche Schwächen typisierend, von ihrem König überhaupt versprechen und aus welcher Erfahrung des Mangels erst ihre Sehnsucht erwächst.

Der Wiedehopf übernimmt in diesem Epos die Rolle des Erzählers. Die belehrenden Episoden, mit denen er die Vögel von ihren Ängsten befreien will, unterbrechen den Sprachfluß und werden skizzenhaft szenisch eingeblendet. Die kommentierten Szenen bleiben flach und grob konturiert; in diesen Schauspielminiaturen ist das Linienspiel und der Faltenwurf der Gewänder, die in ihrer Stoffülle orientalischen Reichtum markieren, mindestens so aussageträchtig wie die Körpersprache. So reduziert sich das Theater auf die Plastizität eines Reliefs, eines Figurenfrieses der Gesten.

Lagen den Allegorien des ersten Teils, der Überredung der Vögel zum Aufbruch, zwar triviale, doch immerhin dramatische Geschichten zugrunde, so wächst während der Reise der Vögel die Kluft zwischen Bild und wörtlicher Deutung. Immer weniger gelingt die szenische Vergegenwärtigung der Gleichnisse; zu sehr schimmert die Absicht in den behelfsmäßigen Konstruktionen durch. Immer penetranter breitet sich der Geruch der Verkündigung aus.

Die schauspielerische Technik der silhouettenhaften Entkörperlichung verwebt die Spieler in einen Bilderfries. In dieser Auflösung und Einordnung des Individuums berührt sich die Technik mit dem Inhalt des Stückes: am Ende erkennen die Vögel sich selbst im Vogelkönig Simorg und verstehen sich als die Schatten, die sein Licht wirft. Das Schauspiel gerät den Spielenden zu einem Bekenntnis ihrer Suche nach Wahrheit und Selbsterkenntnis unter der Führerschaft des Regisseurs.

Katrin Bettina Müller

„Die Konferenz der Vögel“, Gastspiel des „Janus-Theaters“ im „Ensemble Theater“ am Südstern, bis 7.Juli, Do-Mo, jeweils 20.30 Uhr.

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