ARD-Übertragung der Präsidenten-Wahl: Falsche Jubelbilder
Nachdem Christian Wulff am Mittwoch doch noch zum Bundespräsidenten gewählt wurde, zeigte die ARD Applaus für Christian Wulff, den es gar nicht gegeben hat.
Rainald Becker hat es am Mittwoch nicht leicht gehabt. Über neun Stunden moderierte er die ARD-Live-Übertragung von der zähen Bundespräsidentenwahl. "Wir haben jetzt zwanzig nach neun, da haben auch die Wahlfrauen und Wahlmänner einiges an Zeit und an Spannung über sich ergehen lassen müssen", wusste Becker zu berichten, als Christian Wulff endlich gewählt war. Wie gut, wenn man da immer wieder Bilder von anderen Orten hat, die den Sendefluss auflockern.
"Ich höre gerade, es gibt auch Bilder von draußen, von unserer Vidiwall", verkündete Becker. "Auch da haben die Zuschauer, die Zaungäste applaudiert, als das Ergebnis bekannt gegeben wurde und als klar war, dass Deutschland wieder einen Bundespräsidenten hat." Dazu zeigte die ARD rund 15 Sekunden applaudierende Menschen, die vor dem Reichstag die Live-Übertragung verfolgten. Wulff, so der Eindruck, kommt gut an beim Volk da draußen.
Beim Volk da draußen vor der Videoleinwand hingegen überraschte diese Darstellung. Tatsächlich gab es bei den rund 500 Zuschauern lang anhaltenden, respektvollen Applaus - allerdings als der Bundestagspräsident Norbert Lammert die Stimmenzahl für Joachim Gauck verkündete. Viele der Zuschauer waren schon mit Pro-Gauck-Plakaten erschienen.
Als Lammert dann tatsächlich die Wahl von Christian Wulff verkündete, klatschte allenfalls eine Handvoll der Wartenden. Die große Mehrheit hingegen buhte laut. Auch "Pfui"-Rufe waren vor dem Reichstag unüberhörbar. Und das schon zum zweiten Mal. Auch als Lammert die hohe Zahl der Enthaltungen bekannt gab und somit klar war, dass die Linkspartei nicht für Gauck votiert hatte, gab es nichts als "Buh" und "Pfui"-Rufe. Vor dem Reichstag. Aber nicht in der ARD.
Der Beitrag kann noch hier in der ARD-Mediathek angeschaut werden. Der entscheidende Auschnitt beginnt bei Minute 11.15.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren