ARD-Film „Luis Trenker“: Butterbrot und Lügengeschichten

In „Luis Trenker“ spielt Tobias Moretti den Geschichtenerzähler und Filmemacher als hemmungslosen Opportunisten.

Luis Trenker (Tobias Moretti) bei einer Spritztour in den Dolomiten. Foto: BR/Roxy Film/Christian Hartmann

Es müssen ja nicht gleich die Tagebücher von Adolf Hitler sein. Die Chuzpe hatte ein anderer Riesenfilou, Superaufschneider erst ein paar Jahrzehnte später. Aber auch nicht schlecht: die Tagebücher von Eva Braun, die Zeugnis ablegt über ein Leben an des Führers Seite. Darüber, dass der private Hitler seine Eva am liebsten in rehlederner Unterwäsche sah.

„Sowas hätte der Führer nie verlangt!“, sagt Hitlers Sekretärin in dem von Hitlers Filmemacherin (der Führer war neben allem eben doch auch ein Ladies’ man) mit angestrengten Gerichtsverfahren aus. Wie auch sollte ausgerechnet der Skilehrer, Orchesterleiter, Architekt, Kaffeehändler, Buchautor, Schauspieler und Bergfilmer Luis Trenker an Eva Brauns Tagebuch gekommen sein? „Sie hat’s mir bei einem hochgeheimen Treffen in einem Grand Hotel in Kitzbühel gegeben und anvertraut. Kurz vor ihrem Tod!“

Historisch gilt es durchaus nicht als ausgemacht, dass Luis Trenker die von ihm Ende der 1940er Jahre in die Welt gebrachten Tagebücher der Eva Braun höchstselbst verfertigt hat. Denn nicht jeder begnadete Lügner ist schon deshalb auch ein genialer Fälscher vom Schlage eines Konrad Kujau. Aber andererseits gehört zu einer filmischen Räuberpistole à la „Schtonk“ auch der Mythos vom Fälscher als D.I.Y.-Pionier, als hemdsärmelig dahinschluderndem Handwerker.

Butterbrot und Tabakkrümel

Also fängt der Film von Peter Probst (Buch) und Wolfgang Murnberger (Regie, Wolf Haas-Verfilmungen), fängt seine Rahmenhandlung damit an, dass Trenker die gerade geschriebenen Seiten zerknüllt und wieder glattstreicht und mit den Mitteln, die gerade zur Hand sind – der Belag eines Butterbrotes und Tabakkrümel aus der Pfeife – verziert, das heißt: optisch authentifiziert.

Alles für seinen großen Traum: „Einmal noch einen richtigen großen Film machen. Was haben wir nicht alles für Filme gemacht! Über die Heimat, über unsere Berge, den Kampf mit der Natur, über die Freiheit. Die haben mich immer gerne gehabt in Hollywood. Da ist wegen der Zeitumstände damals leider nichts draus geworden. Aber manchmal ist es ganz gut, wenn sich die Zeiten ändern.“

„Luis Trenker“, Mittwoch, 20.15 Uhr, ARD

Und er hat keinerlei Schwierigkeiten, sich mit den Zeiten zu ändern. Der Tiroler Tobias Moretti (vor langer Zeit einmal Kommissar Rex’ Herrchen) spielt den Südtiroler Luis Trenker als notorischen Optimisten, als hemmungslosen Opportunisten, stets mit sich und der Welt, wie immer sie gerade aussieht, im Reinen. Ertappt ihn seine Frau beim Seitensprung mit der ewigen Hassliebe Leni Riefenstahl (Brigitte Hobmeier), deren Filmkarriere er mit bereitet, die er öffentlich als „ölige Ziege“ geschmäht hat: „Hilda. Du bist doch das Wichtigste für mich. – Aber du weißt genau, dass ich sehr schlecht allein schlafen kann.“

Der Geschichtenerzähler

So geht er auch mit den von seinem heimattümelnden Pathos entzückten Nazis ins Bett, aber die von Joseph Goebbels (Arndt Schwering-Sohnrey) eingeforderte Nibelungentreue ist Trenker so wesensfremd wie Goebbels die Nachsicht Hildas. Treu bleibt er immer nur sich selbst. Der Berg ruft und Luis Trenker erzählt. Geschichten. Lügengeschichten. Oder, wie er selbst es nennt: „Geschichten, wo man nachher gut schlafen kann.“

Für den „Spiegel“ war Trenker 1954 der „Münchhausen der Berge“. Also spendiert ihm der BR ab 1959 die Fernsehreihe „Luis Trenker erzählt“, in der Luis Trenker erzählt, vom Skifahren, von der Heimat, von der „dunklen Zeit“. Südtiroler Sonnenbräune trotz Schwarzweiß. Wer sich das (auf YouTube) ein paar Minuten lang anguckt, begreift, wie genial sich Moretti ihm anverwandelt hat. Wie klug die distanziert ironisierende Perspektive des – von Trenker selbst aus dem Off erzählten – Films ist. Und wie plausibel die im Film verhandelte These: Luis Trenker, der Geschichtenerzähler.

Und wer will denn bei einer Geschichte, wenn sie nur gut erzählt ist, jedes Wort auf die Goldwaage legen. (Am wenigsten Trenker selbst.) So scheitert das Hitler-Hollywood-Projekt am Ende nicht etwa daran, dass die Tagebuch-Fälschung auffliegt. Die Amerikaner haben andere Gründe für ihre Absage: „Den Film haben wir schon, Mr. Trenker: ,The Great Dictator‘ von Chaplin.“

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