ARD-Fernsehfilm mit Bleibtreu und Brandt: Erwins Sehnsucht
Ein Sonderling findet mit 41 Jahren die erste Liebe. Hans Steinbichlers "Die zweite Frau" überzeugt durch das Zusammenspiel seiner Darsteller (20.15 Uhr, ARD).
Eine Tankstelle mitten im Nichts. Unverbauter Blick, ringsum wogen die Kornfelder und Sommerwiesen bis zum Horizont. In diesem Idyll lebt Erwin Kobarek (Matthias Brandt) mit seiner Mutter (Monica Bleibtreu). Wovon - das hat Regisseur Hans Steinbichler ("Hierankl") nicht interessiert. Während des gesamten Films hält gerade mal ein Auto an der Tankstelle, die aussieht, als käme gleich Heinz Rühmann aus dem Kassenhäuschen.
Steinbichler hat einen Ort geschaffen, an dem es plausibel erscheint, dass einer wie Erwin hier vergessen wurde. Vom Leben außerhalb der Tankstelle und besonders von den Frauen. 41 Jahre alt ist Erwin, als wir ihn kennen lernen, und lässt sich in der Badewanne immer noch von Mama den Rücken schrubben. Ein Ritual aus Kindertagen, das Erwin stumm über sich ergehen lässt. Nur der in sich gekehrte Blick verrät, dass er insgeheim von anderen Berührungen träumt.
Weil Erwin aber nicht der Typ ist, der zu diesem Zweck in die nächste Disko fährt, fliegt er eben nach Rumänien und nimmt die Dienste einer Partnervermittlung in Anspruch. "Es gibt für alles einen Markt", sagt seine Mutter zum Abschied, und es ist nicht ganz klar, ob das eine Ermutigung sein soll oder doch eher das Gegenteil, denn gern ziehen lässt sie ihren Sohn nicht, unterstützt ihn aber doch, weil sie spürt, dass ihre Tage gezählt sind: Bald muss die Mutter ins Krankenhaus, die Ärzte geben ihr nur noch wenig Zeit, Geheule am Sterbebett, Exitus. Dass Monica Bleibtreu vor kurzem tatsächlich gestorben ist, macht Robert Seethalers Drehbuch an dieser Stelle auch nicht besser.
Doch man sieht über solchen Kitsch gern hinweg - neben der wohltuend spröden, eben nicht rührseligen Darstellung Bleibtreus ist das ein Verdienst von Matthias Brandt und Maria Popistasu, einer rumänischen Schauspielerin, die Erwins gekaufte Braut Irina so bezaubernd verkörpert. Für "Die zweite Frau" wurden beide Hauptdarsteller und Regisseur Steinbichler dieses Jahr völlig zu Recht mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.
Zeuge ihrer Annäherung zu werden, Rückschläge inklusive, ist das reine Vergnügen. Wie Irina Erwins Krawatte lockert, in der Hoffnung, der Rest von ihm möge bald nachziehen, und wie es Erwin erst nicht gelingt, seine Zuneigung vom Zierfischaquarium auf Irina umzulenken - all das ist grandios gespielt, heiter und voller Würde, weit weg also von den Karikaturen, die andere Schauspieler aus Erwin und Irina gemacht hätten. Nur Erwins abrupte Wandlung vom verzagten Muttersöhnchen zum ganzen Kerl, der um seine Liebe kämpft, erscheint etwas unglaubwürdig.
Doch die Krittelei am Drehbuch und an Steinbichlers arg konventioneller Erzählweise ändert nichts daran, dass "Die zweite Frau" eine große Wärme ausstrahlt, in der man sich 90 Minuten lang sehr gerne sonnt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!