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ANTIDISKRIMINIERUNG IST ZU ANSPRUCHSVOLL FÜR WAHLKAMPFZEITENSechs Silben zu viel

Nur zur Erinnerung: Als letztes „Teilstück rot-grüner Antidiskrimierungs-Reformen“ stellte Justizministerin Herta Däubler-Gmelin im vergangenen Dezember ihr Antidiskriminierungsgesetz vor. Nicht ganz zufällig zum Tag der Behinderten übrigens. Und nicht ganz im rot-grünen Eigenbau: Eine EU-Richtlinie drängte zur Umsetzung. „Ich hoffe, es gibt keinen Streit“, gab Däubler ihrem Entwurf mit auf den Weg. Das zumindest hat geklappt.

Denn zum einen muss das Antidikriminierungsgesetz nicht durch den Bundesrat. Zum anderen braucht es überhaupt keinen Streit, um das Gesetzesvorhaben zu verschieben. Auf einen Zeitpunkt nach der Wahl zum Beispiel. Gegenwärtig reicht völlig, dass das Thema zu sehr nach Minderheitenkram riecht. Im Wahlkampf kommen kurze Worte besser: „Familie!“ oder „Arbeit!“, um nur die bekanntesten zu nennen. Darunter können sich alle etwas vorstellen. Aber „An-ti-dis-kri-mi-nie-rungs-ge-setz“ – das hat nicht nur mindestens sechs Silben zu viel, das ist auch so ein schwieriges Thema. Da geht’s um Betroffenheit und Zivilrecht und so. Zum Beispiel der Türsteher vorm Club, der den Schwarzen nicht wegen der Hautfarbe nicht reingelassen haben will. Oder der Vermieter, der nachweisen muss, dass er der albanischen Familie nicht wegen ihres Albanertums die Wohnung nicht gegeben hat. Wer will denn da was beweisen? Das sind doch alles unterschiedliche Situationen und wir alle Menschen, und dann ruft einer mal laut: „Privateigentum!“ Und da will natürlich niemand reinpfuschen.

Beim Antidiskriminierungsgesetz geht es also um Diskursgelaber, um den Versuch, aus einer Alltagssituation einen rassistischen oder behindertenfeindlichen Subtext herauszulesen. Es geht um gesellschaftliches Bewusstsein und gesellschaftliche Bewusstlosigkeit – und damit um Ideologiekritik. Mit so was unterhält man Amtsrichter und Sozialnasen, aber doch keine Wähler. Wenn man sich dann noch klar macht, dass es natürlich nicht reicht, bloß ein Gesetz zu verabschieden, sondern dass dazu auch lokal angebundene Förderprogramme zu Vermeidung von Diskriminierung gehören und Institute, an denen Fälle dokumentiert werden, und natürlich der Austausch mit all diesen anstrengenden Betroffenenvereinen … – dann ist klar, warum die SPD auf so etwas keine Lust hat. Und warum die Grünen weiter auf der Homoehe – ihrer einzigen Errungenschaft – sitzen bleiben. Politik ist im Wahlkampf einfach zu nervig.

ULRIKE WINKELMANN

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