: ANDERE WELTEN
■ Ofra Haza in der Philharmonie
Das Publikum konnte es kaum erwarten und versuchte, sie herbeizuklatschen: Ofra Haza anläßlich der Jüdischen Kulturtage „zum ersten Mal live in Deutschland“. Die Israelin, die aus dem Jemen stammt, eroberte vor zwei Jahren mit ihren „Yemenite Songs“ die Hitparaden Europas. Am Donnerstag abend hatte sie in der Philharmonie ein Heimspiel. Viele Israelis waren gekommen und protestierten empört, als sich Ofra Haza schon bald wieder verabschieden wollte.
Die geschickte Mischung aus arabisch-jüdischer Folklore und Pop hat Ofra Haza über Israel hinaus bekannt gemacht. Ähnlich wie afrikanische Ethno-Pop-Gruppen, zum Beispiel Johnny Clegg&Savuka oder Mory Kante mischt sie traditionelle Melodien und Texte mit englischen Brocken und instrumentalisiert sie mit einer sehr gut auf sie abgestimmten Band: zwei Schlagzeuge, Synthesizer, Flöte, Klarinette und E-Gitarre.
In ihrem orientalischen Kostüm aus Schwarz und Gold auf der Bühne hin- und hertänzelnd, wirkt sie fast wie ein kleines Mädchen. Sie singt jemenitische Hochzeitslieder, zitiert ihre Mutter mit Ya waYe („Gott wird es wissen“) und klirrt mit ihren Armreifen. Ist das „die ethnische jemenitische Frau“, „die Frau in der jüdischen Welt“, wie sie das Programm des jüdischen Kulturfestivals ankündigt? Haza hat die Schönheit einer sephardischen Jüdin, sie spielt mit der Tradition, aber sie beschränkt sich nicht darauf. Sie macht politische Aussagen, widmet eines ihrer Lieder „meinen Nachbarn, dem Araber in Israel und den Ländern um Israel“ und fragt: „What can we do against terrorism? What can we do against fanaticism?“ Deutlich zu hören war die Frage nach Israels Politik an diesem Abend: in der Musik einer Sängerin, die so viele arabisch-orientalische Harmonien und Klänge verwendet... Die israelischen Juden aus den arabischen Ländern haben den Ruf, besonders araberfreundlich zu sein - aber bei Ofra Haza war davon nichts zu hören. (Wer sich mal eine Klasse-Vermischung von Pop und orientalischer Musik anhören will, dem empfehle ich: Brian Eno/David Byrne: „My Life in The Bush of Ghosts“ d.S.)
„Ich will euch an diesem Abend in eine andere Welt entführen“, versprach sie. Viel Aufwand brauchte es dazu nicht: die Band, die entsprechende Beleuchtung und die Lieder ihrer letzten beiden Platten. Im Nin‘ Alu, Galbi und Shaddi fehlten natürlich nicht, und 20 und 50jährige wippten begeistert im Takt. Um halb neun war sie gekommen, um zehn entschwand sie wieder nach einigen wenigen Zugaben. Nichts konnte sie zurückholen, weder das wütende Gebrüll eines Israelis („Od Schaa!“ - noch eine Stunde) oder die stehenden Ovationen der glatzköpfigen Männer in Nadelstreifen. Der Aufenthalt in der „anderen Welt“ war viel zu kurz.
Ayala Goldmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen