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Archiv-Artikel

AMERICAN PIE Aufstand der Missachteten

BASKETBALL Die lange Zeit glücklosen Memphis Grizzlies stehen in der NBA dank ihrer unbequemen Spielweise vor dem Einzug ins Conference-Finale

Verpasste das Team noch 2010 die Playoffs, ist es in dieser Saison zum Geheimfavoriten aufgestiegen

Wir sind einfach drangeblieben, haben gekratzt und gebissen“, erklärte Trainer Lionel Hollins die Leistung seines Teams am späten Montagabend Ortszeit in Memphis. Gerade hatten seine Grizzlies die Oklahoma City Thunder in einem zähen, spannenden Spiel mit 103:97 nach Verlängerung niedergerungen. Dabei führten die Gäste zeitweise schon mit 17 Punkten.

In der Serie der zweiten Playoff-Runde steht es nun 3:1, Memphis fehlt nur noch ein Sieg zum Einzug ins Conference-Finale. „Wir haben gekämpft, genau so, wie es unsere Art ist. Ich liebe meine Jungs einfach, es ist für mich ein Geschenk, diese Spieler trainieren zu dürfen“, erklärte ein völlig überwältigter Hollins nach dem Erfolg über den Vizemeister von 2012.

„Believe“ stand in großen Lettern auf der Klub-Homepage der Grizzlies für all diejenigen, die sich ob der Überraschung immer noch verwundert die Augen reiben. Verpasste die Mannschaft noch 2010 knapp die Playoffs, ist sie in dieser Saison zum Geheimfavoriten aufgestiegen. Hollins, selbst zehn Jahre als Spieler in der NBA aktiv, hat ein Team geformt, das mit großem Einsatz und harter Verteidigung zum unbequemsten Gegner der ganzen Liga geworden ist. Der 59-Jährige ist nach zwei kurzen Interimsamtszeiten seit 2009 Übungsleiter in Tennessee.

Lange Zeit galt der Klub als Verlustgeschäft. Das änderte sich auch nicht, als der Verein 2001 vom kanadischen Vancouver nach Memphis umgesiedelt wurde. Ein Jahr später wurde eigens Liga-Ikone Jerry West, schon bei den Los Angeles Lakers überaus erfolgreich, als Manager engagiert. Drei Playoff-Teilnahmen von 2004 bis 2006 sollten aber nur ein kurzes Zwischenhoch bleiben. Mit Wests Rücktritt 2007 setzte ein schmerzhafter Umbruch ein. Dass Nachfolger Chris Wallace Topspieler Pau Gasol dann ausgerechnet zu den Lakers gehen ließ, bewerten bis heute nicht nur Verschwörungstheoretiker als heimliches Geschenk Wests an seinen kalifornischen Exklub.

Ebenso jedoch betrachten es die Anhänger des Vereins als Glücksfall, dass in jenem Tauschgeschäft die Rechte an der Verpflichtung vom jüngeren Gasol-Bruder Marc enthalten waren. Den 28-Jährigen halten viele in seinem fünften NBA-Jahr längst für den besseren der beiden Spanier. Jüngst wurde er zum besten Defensivspieler der abgelaufenen Spielzeit gewählt.

„Was der Trainer hier geschafft hat, ist unglaublich“, sagt TV-Experte Mike Fratello, einst selbst als Trainer an der Seitenlinie der Grizzlies. „Auch Forward Zach Randolph ist unter ihm zum Musterprofi geworden, verhält sich vorbildlich, führt das Team an.“ Bis zu seinem Wechsel nach Memphis war Randolph wegen seiner Eskapaden auf und neben dem Parkett als untrainierbar verschrien. Hollins gab ihm 2009 die Chance, sich zu beweisen.

Auch nickte er Mitte dieser Spielzeit den Abgang vom beliebten Flügelspieler Rudy Gay ab, dafür kam Tayshaun Prince aus Detroit, ein erfahrener, harter Verteidiger. Mit nur 89,3 kassierten Punkten pro Spiel stellte Memphis die mit Abstand beste Defensive 2012/13.

Aufbauspieler Mike Conley, auch derzeit in Bestform, berichtet: „2009 sollte ich den Verein verlassen. Aber Coach Hollins blockierte den Wechsel, machte mich zum Stammspieler und sagte ‚Zeig mir, was du kannst.‘ Das werde ich ihm nie vergessen.“ Conley war in der Nacht zu Dienstag mit 24 Punkten bester Werfer seines Teams. DAVID DIGILI