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Archiv-Artikel

AMERICAN PIE Es ist ein Mädchen

BASKETBALL Mit Michele A. Roberts wird erstmals eine Frau Geschäftsführerin der NBA-Spielergewerkschaft

Als das Chaos sich lichtete, war Geschichte geschrieben worden. Nach 17 Monaten ohne Chef, nicht enden wollenden internen Auseinandersetzungen und einer sich bis in die späten Abendstunden hinziehenden Versammlung in Las Vegas schaffte es die Spielergewerkschaft der NBA schließlich doch noch, in der Nacht zum Dienstag einen neuen Geschäftsführer zu wählen. Die Sensation: Es ist eine Geschäftsführerin.

Die Erste an der Spitze

Michele A. Roberts, die zwei weitere, männliche Kandidaten ausstach, ist nun die erste Frau, die es an die Spitze einer der Spielergewerkschaften in den vier großen Sportarten Nordamerikas geschafft hat. Präsident der National Basketball Players Association (NBPA) ist zwar traditionell ein aktiver Spieler, im Moment Chris Paul von den Los Angeles Clippers, aber als Geschäftsführerin ist Roberts nun die starke Frau. „Ich bin sicher, es gibt einige, denen aufgefallen ist, dass ich eine Frau bin“, sagte sie nach ihrer Wahl. Dass die Anwältin den Chefposten der mächtigen Gewerkschaft bekam, ist nicht nur eine Überraschung wegen ihres Geschlechts, sondern auch wegen ihrer Berufserfahrung. Zwar sind Juristen an der Spitze von Spielergewerkschaften keine Seltenheit, aber abgesehen davon, dass sie großer Fan der New York Knicks sein soll, hat Roberts trotz mehr als drei Jahrzehnten Berufserfahrung keine ausdrückliche Verbindung zum Profisport vorzuweisen.

Roberts hat bislang für eine renommierte Anwaltskanzlei in Washington gearbeitet, ist eine der besten Strafverteidigerinnen in der Hauptstadt und gilt als bei Bedarf rücksichtslos. „Ich bin eine böse Frau“, sagte sie, „aber so böse auch wieder nicht.“ Die Spieler hielten das offensichtlich für gute Voraussetzungen, um Roberts als Verhandlungsführerin in die Tarifauseinandersetzungen mit der NBA zu schicken, wo sie möglichst viel Geld für Gehälter und die prall gefüllte Rentenkasse der NBPA herausschlagen soll. Aus dem Geschacher um den aktuellen Tarifvertrag gingen die Spieler 2011 nach allgemeiner Einschätzung als Verlierer hervor.

Seitdem ist die Gewerkschaft zerstritten. In Las Vegas versuchten einige Spielervertreter und Agenten, die Kür des neuen Gewerkschaftsbosses in Las Vegas absagen zu lassen, um neue, vermeintlich bessere Kandidaten zu suchen. Die Stimmung hinter verschlossenen Türen wogte wohl hin und her, aber Roberts überzeugte in ihrer 45-minütigen Bewerbungsrede und dem sich anschließenden Job-Interview die verschiedenen Fraktionen. Eine deutliche Mehrheit befand schließlich, dass die NBPA nach nahezu anderthalb Jahren endlich eine neue Führung benötigt: Roberts bekam 32 von 36 Stimmen. „Ich werde sicherstellen, dass die Gewerkschaft genau das erreicht, was die Spieler erreichen wollen“, versprach sie. „Es brechen neue Zeiten an.“

Dass Roberts weder Verbindungen zur NBA noch zur Gewerkschaft besitzt, dürfte sogar ein zentraler Punkt für ihre am Ende überzeugende Wahl gewesen sein. Ihr Vorgänger Billy Hunter war im Februar 2013 bei einer ähnlich chaotischen Sitzung abgesetzt worden. Man warf ihm Vetternwirtschaft und finanzielle Unregelmäßigkeiten vor. Roberts will nun die NBPA neu strukturieren. Unter anderem kündigte sie an, ein Management-Team einzustellen, um die Spielervertretung zu professionalisieren.

Dem Vernehmen nach stand vor allem Chris Paul hinter der Wahl von Roberts. Paul ist nicht nur einer der größten Stars der Liga, sondern auch sehr engagiert. Er vor allem hatte die Absetzung Hunters betrieben – und wurde kurz danach neuer Gewerkschaftspräsident. Nun hat er seine Kandidatin installiert und Geschichte geschrieben.

THOMAS WINKLER