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Archiv-Artikel

AMERICAN PIE Balanceakt mit kaputtem Zeh

BASKETBALL Auf den deutschen Nationalspieler Dennis Schröder können die Atlanta Hawks kaum noch verzichten. Seine Verletzung vor den Playoffs ist umso ärgerlicher

So kennt man Dennis Schröder in Atlanta. Ein kurzes Dribbling, ein schneller Antritt und der Weg zum Korb ist frei. Mittlerweile ist auch dem Rest der NBA nicht mehr ganz unbekannt, dass der deutsche Aufbauspieler der Atlanta Hawks einer der schnellsten Spieler in der stärksten Basketball-Liga der Welt ist. Deshalb wird Schröder bei seinen Durchbrüchen zum Brett immer öfter gefoult. So auch am Montag von den Milwaukee Bucks. Schröder wurde gleich von zwei Gegenspielern in die Zange genommen und griff sich sofort mit schmerzverzerrtem Gesicht an den linken Fuß. Erste Diagnose: ein lädierter Zeh. Wie schlimm die Verletzung ist, ob womöglich sogar der Einsatz Schröders in den bald beginnenden Playoffs gefährdet ist, steht noch nicht fest.

Zur Sicherheit verfügte Trainer Mike Budenholzer, dass Schröder gar nicht erst zum Auswärtsspiel in Detroit am Dienstag mitreisen sollte. Der 21-jährige Braunschweiger blieb stattdessen in Atlanta und sollte seinen demolierten Zeh pflegen. Schließlich hat sich der deutsche Nationalspieler bei den Hawks, dem nach Siegen momentan zweitbesten Team der NBA, nahezu unverzichtbar gemacht. Kein anderer Ergänzungsspieler bekommt so viel Einsatzzeit: Schröder spielt fast 20 Minuten pro Partie, erzielt dabei durchschnittlich 9,8 Punkte und verteilt 4,2 Assists. „Wir lieben sein Selbstvertrauen“, lobt Budenholzer das früher als arrogant geltende Talent. „Dennis hat die Chance, etwas ganz Besonders zu werden.“

Bis es so weit ist, muss sich Schröder allerdings noch mit der Rolle als wichtiges, aber zweitrangiges Rädchen in einer gut geölten Maschine begnügen. Diese Maschine läuft so rund, dass die Hawks bereits als beste Mannschaft der Vorrunde in der Eastern Conference feststehen. Selbst wenn sie die acht ihnen noch verbliebenen Partien der regulären Saison allesamt verlieren sollten, würden sie doch in allen Playoff-Runden bis zum Finale Heimrecht genießen.

Eine komfortable Situation, die aber neue Probleme schafft. Angesichts der Bedeutungslosigkeit der kommenden Spiele versucht Coach Budenholzer nun, seinen prägenden Spielern Erholungszeiten zu gönnen. So verzichtete er in der vergangenen Woche in einem Spiel gleich auf seine gesamte Startformation. Center Al Horford, Point Guard Jeff Teague, Forward Paul Millsap und Dreier-Scharfschütze Kyle Korver, allesamt in die All-Star-Auswahl berufen, durften sich ausruhen. Stattdessen kamen Schröder und andere Bankdrückerkollegen, die sonst kaum zum Einsatz kommen, in den seltenen Genuss, von Anfang an spielen zu dürfen. Sie handelten sich aber auch eine Niederlage gegen die eher mittelmäßigen Charlotte Hornets ein. „Am wichtigsten ist es, fit in die Playoffs zu gehen“, verteidigte Budenholzer seine Strategie, „das ist unser Ziel. Die Fans verstehen das hoffentlich.“

Der Coach versucht sich an einem Kunststück, an dem sich auch Kollegen aus anderen Sportarten abarbeiten wie Bayern-Trainer Pep Guardiola, der seine Münchener Fußballprofis möglichst entspannt durch eine längst entschiedene Bundesligameisterschaft zu lotsen versucht, sie aber auch fit halten muss für die entscheidenden Spiele in der Champions League.

Auch Budenholzer treibt die Sorge um, wichtige Spieler könnten sich verletzen und dann ausgerechnet fehlen, wenn es ab dem 18. April in den Playoffs um den Titel geht. Andererseits will der Trainer, der vor der Saison noch als Entlassungskandidat galt, natürlich nicht, dass seine Mannschaft nun in der entscheidenden Phase wieder außer Tritt gerät. Ein Balanceakt, den nicht nur Dreier-Scharfschütze Kyle Korver als „schmalen Grat“ einschätzt: „Das Letzte, was man in so einer Situation will, ist es, sich zurückzulehnen, das Momentum und das Selbstvertrauen zu verlieren.“ In Sachen Selbstvertrauen aber kann sich Herr Korver ja an den Kollegen Schröder wenden. THOMAS WINKLER