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ALLEIN GEGEN DIE ANGST

■ Das Theater Gaukelstuhl spielt „Du bist voll blöd“

Paula ist zwölf, hat ihr Haar zu einem wippenden Pferdeschwanz hochgesteckt und trägt neonrosa Söckchen. Ralf ist ebenfalls zwölf, trägt aber eine Jeansweste und ein Baseballkäppi, weil er auf den „Westman“ steht. Er möchte einmal Fußballnationalspieler werden. Karin ist erst neun und übt sich zu Hause unter dem 'Bravo'-Poster als Playback -Madonna. Zur Handlung trägt das alles nicht viel bei. Das Theater Gaukelstuhl wollte in „Du bist voll blöd“ nur ganz normale Kids darstellen, die auf der Höhe der Zeit sind. Deshalb lautet auch jeder zweite Satz: „Das ist voll gut“ oder „Echt geeeil!“

Paula, Ralf und Karin kommen wie jeden Tag auf dem Spielplatz zusammen. Heute spielen sie Ball und kloppen dumme Sprüche. Karin ist in beidem ganz klar den Großen unterlegen. Sie gibt auch zu, daß sie sich bei Horrorfilmen fürchtet. Darüber kann Ralf nur lachen und zählt auf, welche Filme er schon alles gesehen hat. Die sind so voller Leichen, daß es sie nur auf Video gibt. Er fürchtet sich natürlich nicht, schließlich weiß er, „daß es nur Filme sind“.

Der Nachmittag endet mit Knatsch. Die Großen haben die Kleine einfach zu sehr durch den Kakao gezogen. Als Karin verletzt abzieht, sind Paula und Ralf beleidigt. Sie beschließen, der Zimperliese am Abend einen gehörigen Schreck einzujagen. Sie haben Glück. Karin sitzt allein zu Hause und schaltet ein wenig am Fernseher herum, obwohl sie das so spät eigentlich nicht darf. Am Werwolf-Film bleibt sie kleben. Zwar ist sie so geistesgegenwärtig, die Kiste auszuschalten, als es ihr gar zu gruselig wird, aber die Angst ist schon im Zimmer. Da klingeln Paula und Ralf und bieten Karin zum Schein eine Versöhnung an. Gemeinsam schauen sie den Werwolf weiter, und siehe da, Angst haben auch die Großen, nur überspielen sie sie mit frechen Sprüchen und knabbern die doppelte Menge Süßigkeiten.

Schließlich verabschieden sich Paula und Ralf, gehen aber nicht, sondern verstecken sich hinter einem Vorhang. Als Karin endlich im Bett liegt, nicht, ohne vorher nachgeschaut zu haben, ob jemand darunter liegt, jagen sie ihr mit furchtbaren Masken einen riesigen Schreck ein und wollen sich ausschütten vor Lachen. War das das Ende der ungleichen Freundschaft?

Das Theater Gaukelstuhl, das schon seit zehn Jahren mit pädagogisch ausgebildeten SchauspielerInnen Kinder- und Erwachsenenstücke produziert und mit Kindern zusammenarbeitet, hat für „Du bist voll blöd“ in verschiedenen Schulen und Tagesstätten mit den Kindern über ihre Ängste gesprochen. Dabei stellten die Ensemble -Mitglieder fest, daß in der Vielfalt der Ängste Horrorfilme eine zentrale Stelle einnehmen. In der Aufführung rückt das Thema Video jedoch auf Platz zwei, das Verhältnis der drei Freunde steht im Mittelpunkt.

Das nimmt dem Stück den pädagogischen Druck. Anderes aber stört. Karins Zimmer ist derart prächtig, daß einem Kind entfährt: „Man, ist das'n Weltwunder!“ Zu lange wird an einer Stelle gespielt, die die Kinder auf den hinteren Sitzen nicht überschauen können. Und in manchen Szenen passiert so wenig, daß die Kinder kaum ruhig auf ihren Stühlen sitzen bleiben können. Trotzdem verfolgen sie die ungleichen Freunde mit Spannung. Karin gilt ihre uneingeschränkte Sympathie. „Karin“ zieht nach den „Zugabe„ -Rufen die meisten Kinder, zum großen Teil Grundschulklassen, in ein nachbereitendes Gespräch. Chaotisch geht es zu. Die Kinder können sich gerade darauf einigen, daß sie natürlich keine Angst gehabt hätten, „war doch nur ein Theaterstück“. Und die Bühnenausstattung erweist sich als interessanter als die Erörterung der Frage, wie sich die drei Freunde wieder versöhnen könnten. Damit müssen sie sich ja täglich herumschlagen.

Claudia Wahjudi

„Du bist voll blöd“ im Kulturhaus Spandau, Breite Straße71a, noch am 26. und 27.September um 15Uhr.

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