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ALLE STEHEN WIEDER AUF

■ Das Frontstadt-Musical „Eins Zwei Drei“ im Theater des Westens

Rainer Zufall war es bestimmt nicht, das muß Joker gewesen sein. Jawoll, meine Herren Kühn, Hey- und Baumann, auch wenn es uns nicht ins Weltbild paßt: Wir sollten davon ausgehen, es existiert eben doch - jenes höhere Wesen, das wir alle verehren.

Die Geschichte jedenfalls schreibt keine solch üblen Scherze: Billy Wilders göttliche Komödie Eins Zwei Drei

-schon anno 1961 ein Flop - fanden die Freunde der Deutschen Kinemathek noch anno 1980 irgendwie zu undifferenziert. Und Euer billiges Remake heute, ein toller Erfolg. Gott, haben wir gelacht. Der Manager der Coca-Cola -Niederlassung in Berlin (West) will neue Märkte im Osten erschließen und stolpert bei der Jagd nach Profit permanent über die Fußangeln der Frontstadtlage, insbesondere über die Ost-West-Liebe zwischen der Tochter seines Chefs und einem jungen Kommunisten. Eins Zwei Drei ist ohne Frage das „Musical für die Zukunftsgeschichte Berlins“ - so sprach Momper am 12.November aus Anlaß der Eröffnung des Buffets bei der Premierenfeier im Hotel Schweizerhof. Der spricht ja nun augenblicklich dem Volke direkt aus der Seele, also kann es Euch, liebe Bau- und Heymänner, ganz und gar piepe sein, was die Kritiker noch zu nörgeln haben.

Bringen wir es schnell hinter uns: Die Musik von Birger Heymann ist viel zu laut, aber sonst recht nett zusammengeklaut. Jeder Ohrwurm ein alter Bekannter Goodmann, Gershwin, Porter, Loewe, Bruhns und hohoho, zweimal sogar Weill - auch Hair und Mary Poppins lassen herzlich grüßen. Die Arrangements dagegen (Donald Pippin und Brian Louisielle) klingen echt professionell. Die Songtexte sind schrecklich lustig und dabei so tümlich und oberlehrerwahrhaftigmächtigvoll, wie sie nur ein deutscher Humorist und Altlinker (Volker Kühn) hinkriegt. Die Dialoge (Helmut Baumann) tun mehr psychisch weh, einmal abgesehen von den Stellen, die wörtlich aus dem Filmskript übernommen sind.

Die Rollen sind vorzüglich besetzt mit Leuten, die zum Teil singen und und zum Teil schauspielern können. Keiner kann so richtig beides, außer das Fräuleinwunder Sylvia Wintergrün (einst alias Lilo Pulver), weshalb man zunächst meint, die Dame übertreibt. Tanzen tun sie aber alle a tempo bis zur letzten Ballettratte - die Ausstattung hat wahrhaftig Weltstadtniveau - dank den Sponsoren Coca Cola, Tempelhof Airways und vielleicht noch den Bayerischen Motorenwerken sowie der Fa Gorbatschow Wodka. Das Premierenbuffett war ganz und gar ohne Fehl und Tadel, besonders zu rühmen die kalte Mamsell.

Meine kleine Kusine aus Leipzig war wild begeistert von den vielen Salaten und fand das Musical echt amerikanisch. Da war wieder Joker am Werke: Wilder, deutscher Jude und Emigrant in die USA, hat mit Eins Zwei Drei eine rasante Hollywoodiade abgedreht zum deutsch-deutschen Thema, mit all den groben Feinheiten, die sich nur aus dieser Kombination ergeben.

Das Linie1-erprobte Musical-Team treibt dem Stoff diese lustige Ambivalenz aus - mit der hierorts üblichen Gründlichkeit und der hierorts eingebürgerten US-Ästhetik. Warum muß der häßliche Amerikaner und Managertyp in den kritischen Mittelpunkt des Musicals rücken? Weil man eine Hauptperson braucht und ein Feindbild und also eine Moral (beides gibt es bei Wilder nicht). Warum verguckt sich die Cola-Erbin aus den USA nicht in Otto Ludwig Piffl aus Ost -Berlin, sondern in einen russischen Jungfunktionär? Weil die Story damit die eindeutigen Konturen eines Lehrstücks verpaßt kriegt. Stellvertretend knutschen sich die Besatzungsmächte unterm Brandenburger Tor. Und als der Russe da einfach durchfahren will, wird er von deutschen Vopos verhaftet.

Wie er da lospreschte auf seinem Seitenwagen-Krad, das kam prima über die Rampe. Denn stellvertretend war ja das ganze Publikum ausgerechnet dieser Tage von eben dem Wunsch persönlich mächtig beseelt. Der Regisseur trug dem Ernst der besonderen historischen Situation Rechnung, indem er eine flink erdichtete Extrasongstrophe vom Blatte las, die den Berliner so recht kühn von der Schnauze abgeguckt war („Da steht man baff und kiekt“). Aber selbst das rutschte mit durch. Billy Wilder beschrieb damals den kleinen Unterschied so: „Ein Mann läuft eine Straße hinunter und fällt hin. Wenn er wieder aufsteht, ist das eine Komödie, die Leute lachen; bleibt er liegen, ist es eine Tragödie. Wir wollten damals in Berlin ein Lustspiel drehen - alle stehen wieder auf. Aber dann wurde während der Dreharbeiten die Mauer gebaut und - bumms - der Mann blieb liegen.“

Eins zwei drei, die Mauer ist gefallen, alle stehen wieder auf wie ein Mann, und die Leute lachen und lachen, und zwar am liebsten über den dümmsten deutschen Mist. Wie wunderbar. Kohl und Krenz sind komisch, Coca Cola ist komisch, die Amis sind komisch und die Sowjets auch. Alles Folklore. Unser Gefühl geht endlich wieder über alles in der Welt.

Elias Bethäuber

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