ALG-I-Streit: CDU nähert sich SPD-Chef
Auch führende Unionspolitiker können sich inzwischen vorstellen, älteren Arbeitslosen mehr Geld zu zahlen, ohne zugleich bei Jüngeren zu kürzen.
85 Prozent der Bürger unterstützen die Forderung von SPD-Chef Kurt Beck, die Auszahlung von Arbeitslosengeld I an Ältere zu verlängern. Dieses Ergebnis einer Infratest-Umfrage für die ARD hat offenbar auch Unionspolitiker beeindruckt. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales, Gerald Weiß (CDU), sagte am Freitag: "Es gibt eine neue Lage durch die SPD-Diskussion. Das kann man nur positiv bewerten." Weiß empfahl seiner Partei ausdrücklich, mehr Großzügigkeit zu zeigen. Geht es nach ihm, sollte die CDU ihre bisherige Forderung aufgeben, wonach eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für Ältere unbedingt kostenneutral finanziert werden müsste.
SPD-Chef Kurt Beck hat in einem Brief an die Parteimitglieder die Kosten einer längeren Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I auf 800 Millionen Euro beziffert. In dem gemeinsam mit Generalsekretär Hubertus Heil verfassten Schreiben forderte Beck, die Verlängerung aus den Überschüssen der Bundesagentur für Arbeit zu finanzieren. Beide kündigten zudem Initiativen an, um den Missbrauch von Leiharbeit zu bekämpfen, der Kinderarmut entgegenzuwirken sowie flexible Rentenzugänge zu schaffen. "Unser Hauptziel bleibt die Verbesserung der Beschäftigungschancen für Ältere", heißt es in dem Brief. Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD), der die ALG-I-Pläne ablehnt, will am Donnerstag eine Regierungserklärung zur Arbeitsmarktpolitik abgeben. Bisher ist unklar, ob er sich dabei auch über Becks Vorschlag äußern wird. VM
"Ich bin dagegen, dann bei den Jüngeren zu kürzen", sagte Weiß der taz. "Arbeitslosengeld I bekommt man ohnehin erst, wenn man vorher mindestens 24 Monate gearbeitet hat", erklärte der CDU-Politiker, der neben seinem Ausschussvorsitz auch die Arbeitnehmergruppe der Union im Bundestag anführt. "Weitere Kürzungen sollten wir den Jüngeren und, politisch gesehen, uns selbst ersparen", meint Weiß. Ähnlich hatte sich zuvor bereits der saarländische Ministerpräsident Peter Müller geäußert. Auch er riet der CDU, den Parteitagsbeschluss von 2006 zu überdenken, der eine kostenneutrale Finanzierung vorsah. "Wir sind ja im Moment in einer Situation, dass wir neue Handlungsspielräume gewonnen haben", sagte Müller im Deutschlandfunk. Da stelle sich für die CDU die Frage: "Halten wir ausnahmslos am Postulat der Aufkommensneutralität fest oder können wir uns auch da etwas zusätzliche Bewegung vorstellen?" Er gehe davon aus, dass dieses Thema in einer der nächsten Koalitionsrunden beraten werde, sagte Müller am Freitag.
Angesichts der verbesserten Kassenlage bei der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit könne die Union die Vorschläge der SPD durchaus wohlwollend prüfen, sagte Weiß. Über das weitere Vorgehen sollte die Koalition "in aller Ruhe diskutieren" und zunächst die Zahlen der Bundesagentur prüfen. "Erste Priorität hat für uns allerdings, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung noch stärker abzusenken, am besten auf 3,5 Prozent", betonte Weiß. "Wenn dann noch Geld übrig ist, kann man auch etwas für die älteren Arbeitslosen tun, ohne bei den Jüngeren zu kürzen." Damit würde die Union eine Position aufgeben, die CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla bisher strikt verteidigt. Auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer zeigt sich noch nicht geneigt, einen neuen Kurs einzuschlagen. Die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hat sich noch nicht zu der Thematik geäußert. Spätestens nach der Rückkehr von ihrer Afrika-Reise wird sie allerdings Stellung beziehen müssen.
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