AKWs in Deutschland: Die gefährlichen Abklingbecken
Wenn in deutschen AKWs die Stromversorgung ausfällt, drohen laut Greenpeace Gefahren wie in Fukushima 4. Treffen könnte es vor allem alte Siedewasserreaktoren.
BERLIN taz | Dramatische Probleme mit den Abklingbecken für abgebrannte Brennstäbe wie derzeit im Block 4 des japanischen Atomkraftwerks Fukushima Daichi könnten auch an deutschen AKW-Standorten auftreten. Das betreffe insbesondere die Siedewasserreaktoren Krümmel, Brunsbüttel, Isar 1 und Philippsburg 1, sagte Greenpeace-Atomexperte Tobias Riedl der taz.
Reaktor und Abklingbecken befänden sich dort in einem Gebäude. "Wenn wie in Japan die Stromversorgung ausfällt, wird das Becken nicht gekühlt." In den Becken kann dann, wie in Japan, das Wasser verdunsten. Die Folge: Die abgebrannten Brennstäbe heizen sich auf und geben ihre Strahlung an die Umgebung ab, die normalerweise größtenteils vom Wasser aufgefangen wird.
"Dann kann alles so verstrahlt werden, dass man nicht mehr in das Gebäude reinkann - also auch nicht an einen möglicherweise beschädigten Reaktorkern", warnt Riedel: "Dass sich Reaktor und Abklingbecken in einem Gebäude befinden, ist eine gefährliche Konstruktion."
Die abgebrannten Brennelemente lagern ein bis fünf Jahre im Abkühlbecken, bevor sie in Atommüllzwischenlager gebracht werden können. Riedl: "Man kann nicht von heute auf morgen abschalten; die Brennelemente muss man in jedem Fall noch für lange Zeit im Griff behalten." Das trifft auch auf die vier Siedewasserreaktoren in Deutschland zu, die mittlerweile alle vom Netz sind. Krümmel und Brunsbüttel standen ohnehin still; Isar 1 und Philippsburg 1 wurden im Zuge des Atommoratoriums der schwarz-gelben Bundesregierung in dieser Woche abgeschaltet - vorläufig.
"Selbst wenn wir sofort aussteigen, werden uns die radioaktiven Gefahren noch lange begleiten", sagt Harald Nestler vom Umweltinstitut München. Die Gefahr aus den Abklingbecken bestehe in allen Reaktoren, vor allem bei alten Siedewasserreaktoren. Das Institut verweist auf einen Vorfall 2010 in Philippsburg 2. Wegen eines verkanteten Stöpsels seien dort 270.000 Liter Wasser aus dem Abklingbecken abgeflossen. Wäre der Füllstand um weitere 6 Zentimeter gesunken, wäre eine vollständige Kühlung nicht mehr möglich gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“