AIDS-Konferenz der UN: Milliarden für Millionen
In Berlin beginnt die Geberkonferenz für den UN-Aidsfonds. Die Teilnehmer wollen bis zu zehn Millionen Dollar aufwenden - gegen Aids, Tuberkulose und Malaria.
Nach Angaben des UN-Aidsbekämpfungsprogrammes Unaids waren Ende 2006 schätzungsweise 39,5 Millionen Menschen weltweit mit dem HI-Virus infiziert. Das sind 2,6 Millionen Infizierte mehr als zwei Jahre zuvor. Damit hat ein Prozent der Erwachsenenbevölkerung der Welt HIV - eine seit Jahren unveränderte Konstante. Knapp zwei Drittel der Infizierten - 24,7 Millionen - leben in Afrika südlich der Sahara: knapp sechs Prozent der Erwachsenenbevölkerung. Die zweite große Aids-Region der Welt ist Süd- und Südostasien, wo 7,8 Millionen Menschen infiziert sind. Nach dem Anteil an der Bevölkerung ist die Karibik mit 1,2 Prozent die am zweit stärksten betroffene Weltgegend.
2,9 Millionen Menschen sind im Jahr 2006 weltweit an Aids gestorben, 2,1 Millionen davon in Afrika südlich der Sahara. Diese Zahl ist mit leicht steigender Tendenz seit Jahren fast konstant. Den steilsten Anstieg bei den Aidstoten hat Ost- und Zentraleuropa zu verzeichnen: 2004 starben dort 48.000 Menschen an Aids, 2006 waren es 64.000.
Trotz aller Bemühungen zur Prävention infizieren sich jedes Jahr mehr Menschen: 4,3 Millionen Neuinfizierte im Jahr 2006, davon 2,8 Millionen in Afrika südlich der Sahara. Zwei Jahre zuvor hatten sich laut Unaids 3,9 Millionen Menschen weltweit mit HIV infiziert.
Die Weltgemeinschaft will dagegen etwas unternehmen. Im Jahr 2002 gründeten die UN-Staaten auf einem UN-Gipfel den "Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria". Der Fonds soll internationale Mittel zur Bekämpfung dieser drei verheerenden Seuchen bündeln und ihren effizienten Einsatz in Zusammenarbeit mit den Empfängerländern ermöglichen. Geberländer spenden freiwillig Basis an den Fonds, Empfängerländer beantragen Fondsgelder für bestimmte Projekte, die dann bei Bestätigung durch den Fonds unter strikten Kontrollen durchgeführt werden können. Der Globale Fonds wurde im Jahr 2002 mit 600 Millionen US-Dollar eingerichtet, für 2007 sind drei Milliarden US-Dollar vorgesehen.
Den großen Sprung in der internationalen Aidsbekämpfung - darauf hoffen UNO und Bundesregierung bei der heute beginnenden Geberkonferenz für den UN-Aidsfonds. Er ist das größte internationale Finanzierungsinstrument im Kampf gegen eine der gefährlichsten Seuchen der Welt. Ab heute sollen in Berlin Regierungen und UN-Vertreter drei Tage lang nicht nur Strategien zur Verbesserung des Kampfes gegen Aids diskutieren, sondern vor allem Geld für den Fonds auf den Tisch legen - und zwar viel Geld. "Ich gehe davon aus, dass für die Zeit von 2008 bis 2010 fünf bis sieben Milliarden Dollar zugesagt werden", sagte Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) im Vorfeld der Konferenz. Aus dem Fonds selbst werden sieben bis acht, vielleicht bis zu zehn Milliarden Dollar genannt.
Das wäre sehr viel für den "Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria". Er existiert erst seit fünf Jahren und hat insgesamt überhaupt erst 7,7 Milliarden Dollar an Gesundheitsministerien, Regierungsstellen und Gesundheitsorganisationen auf aller Welt verteilt. Es brächte den Fonds den eigenen Planungen sehr nahe, seinen Umfang von derzeit drei Milliarden Dollar jährlich bis 2010 auf sechs oder sogar acht Milliarden Dollar ausdehnen zu können. Sollten diese Zusagen Bestand haben, hätte der UN-Fonds endgültig den Sprung von einer feinen, aber kleinen Idee zu einer mächtigen Umsetzungsmaschine geschafft, in der weltweit die Bemühungen zur Bekämpfung der drei verheerendsten Seuchen der Welt gebündelt und finanziert werden.
Das liegt unter anderem am Gastgeberland Deutschland. Die Berliner Geberkonferenz ist die erste Etappe zur Umsetzung der vielen Heilsversprechen des G-8-Gipfels von Heiligendamm im Juli. Daher ist sie für die Bundesregierung auch ein Test ihrer eigenen Glaubwürdigkeit. Bislang liegt Deutschland auf der Rangliste der Geberländer mit 87 Millionen Euro Beitrag für den Fonds nur auf Platz sieben. Nun will die Bundesregierung nach eigenen Angaben ab 2008 jährlich 200 Millionen Euro für den Fonds aufbringen. Mit weiteren bilateralen Zuwendungen und EU-Beiträgen soll Deutschlands Beitrag zur Aidsbekämpfung insgesamt jährlich 500 Millionen Euro erreichen.
Einen großen Teil des Geldes soll ein neues Instrument aufbringen: Schuldenerlass gegen Gesundheitshilfe. Die sogenannte "Debt to Health"-Initiative bedeutet, dass Deutschland ausgewählten Ländern einen Teil ihrer Schulden erlässt und diese dafür einen Teil der eingesparten Summe in den UN-Fonds für Projekte in ihren Ländern einzahlen.
Ein erster Vertrag dieser Art wird heute zwischen Deutschland und Indonesien unterzeichnet. Deutschland erlässt 50 Millionen Euro indonesische Schulden, Indonesien gibt dem UN-Fonds 25 Millionen Euro, die dieser dann innerhalb von acht Monaten dem indonesischen Gesundheitshaushalt zur Verfügung stellt. Weitere Abkommen dieser Art sind mit Pakistan, Kenia und Peru geplant, mit einer Gesamthöhe von 400 Millionen Euro Schuldenerlass und 200 Millionen Euro Fondsgeldern.
Der UN-Fonds finanziert derzeit 450 Projekte in 136 Länder. In Sierra Leone werden die meisten Tuberkulosekliniken, die in zehn Jahren Bürgerkrieg zerstört wurden, mit Geld aus dem UN-Fonds wieder instandgesetzt, in Äthiopien bezahlt der Fonds die Ausbildung von 30.000 Gesundheitsexperten. Nach Äthiopien ist bislang auch das meiste Geld geflossen, gemessen an der Bevölkerung ist der Fonds in Ruanda am aktivsten. Dort hat die Regierung kürzlich obligatorische Schwangerenberatungen eingeführt, und der UN-Fonds stattet ländliche Gesundheitszentren mit Kapazitäten zur Behandlung von Aids und Tuberkulose aus.
Das Wachstum des Fonds ist beachtlich. Im Jahr 2004 erhielten 130.000 Menschen weltweit durch den Fonds Aidsmedikamente, 2006 waren es schon 770.000. Die Zahl der Tuberkulosebehandlungen stieg im selben Zeitraum von 236.000 auf zwei Millionen. Während der Kampf gegen Aids Schlagzeilen verspricht, ist die Arbeit des Fonds gegen Malaria und Tuberkulose umfassender - hier wird bereits der größte Teil der internationalen Hilfsgelder über den UN-Fonds kanalisiert, bei Aids sind es erst ein Drittel.
Die UN-Einrichtung bereitet sich nun darauf vor, eine weltweit agierende Gesundheitszentrale zur Unterstützung von Gesundheitssystemen in armen Ländern zu werden - eine Reaktion auf Kritik, die UNO handle nur gegen ausgewählte "Prestigekrankheiten" und nicht gegen ebenso verheerende Alltagsseuchen. In Zukunft, so ein Modell, soll der Fonds nicht mehr nur einzelne Projekte fördern, sondern "nationale Strategieanträge" für die Gesundheitspolitik einzelner Länder billigen und finanzieren. Das wäre ein sinnvolles Verwendungsgebiet für die Milliardenzusagen von Berlin.
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