: AIDS - durch Küssen
■ Alle Jahre wieder: Alter Hut neu umgekrempelt / Wie ein englisches Ehepaar wiederholt für eine Schlagzeile herhalten muß, um die AIDS–Hysterie zu schüren
„Die Todesseuche AIDS ist noch bedrohlicher als vermutet“, meldete am Montag die Bild–Zeitung. Offensichtlich nicht nur für die Gesundheit, sondern auch für das Pressewesen. Denn AIDS, so schlagzeilt das Springerblatt zum Fest der Liebe, kann durch Küsse übertragen werden. Die Tagessensation: Eine Londoner Ehefrau, deren Mann seit Jahren impotent ist, kann sich bei ihrem Gatten nur durch langes Küssen infiziert haben. Alle Jahre wieder verdirbt dieselbe Meldung, immer wieder neu aufgemacht, dem Leser einschlägiger Gazetten den Kuß nach Ladenschluß. „Das ist doch eine alte Jacke“, winkt auch Prof. Meinrad Koch, Virologe vom Bundesgesundheitsamt ab, „es gibt keinen einzigen Hinweis, außer diesem längst bekannten einzigen Fall“. Da fragen sich die Ärzte, ob das Küssen wirklich der einzige Versuch zur Wiederaufnahme erotischer Verschmelzung der Ehepartner geblieben ist. Neu ist an der Bild–Schlagzeile nur der politische Boden, auf den sie nach der Forderung von CSU–Politikern nach namentlicher Meldepflicht und Isolation von Infizierten fällt. Amtsarzt Dr. Sankowski beim Berliner Gesundheitsamt ist verärgert. Riesige Geldausgaben für Aufklärungskampagnen über AIDS können bei derartiger Konterkarierung durch die Presse leicht verpuffen. „Dann behaupte ich bald auch, daß AIDS durch Spucken übertragen wird und verkaufe Spucknäpfe mit Desinfektionslösung“, überlegt sich der Senatsangestellte. k.k.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen