: ABM: Nur Lippenbekenntnisse
■ Bis Ende des Jahres nur noch 71 ABM-Stellen / GAL-Fraktion und AG Zündstoff fordern Senat zum Handeln auf Von Andrew Ruch
Noch in diesem Monat machten vier Frauen in Harburg ihre Gesellenprüfung als Tischlerinnen. Seitdem ist in der Wilhelmsburger Honigfabrik für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) Feierabend. Was in diesem Jahr für 27 Auszubildende und Ausbilder bittere Realität wurde, wird wohl Ende des Jahres alle AB-Projekte treffen.
Eine Liste mit allen AB-Maßnahmen veröffentlichten gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz die GAL und die AG Zündstoff, der Zusammenschluß der Hamburger AB-Projekte: Danach werden im Dezember 1994 nur noch magere 71 Stellen von derzeit rund 2000 AB-Stellen übrigbleiben. Der Grund: Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) hat die Förderungsgelder auf 29 Millionen runtergefahren, und Hamburg will die entstandene Lücke in Höhe von mindestens 200 Millionen Mark nicht auffüllen. Hamburg wartet ab, ob im Bonner Arbeitsministerium des Norbert Blüm nicht vielleicht doch noch umgedacht wird.
Der GAL-Abgeordnete Andreas Bachmann forderte deshalb gestern den Senat auf, künftig unabhängig vom Bund für Beschäftigungsprojekte Haushaltsmittel in Höhe von 300 Millionen Mark pro Jahr zur Verfügung zu stellen. Die Geschäftsführerin der Beschäftigungsträger des Bezirks Wandsbek, Gaby Gottwald, hält dies jedoch für eine Taktik: „Dort wo die Maßnahmen auslaufen wird auch als erstes geschlossen“, vermutet Gaby Gottwald. Die Formulierung des Senats, „die Krise als Chance“, ist für sie Synonym für Einsparungsmöglichkeit.
Entnervend ist die Situation besonders auch für die 150 festangestellten AusbilderInnen und SozialpädagogInnen, die nicht wissen, was auf sie zukommt. Gisela Beck, Geschäftsführerin des Verbandes Harburger Beschäftungsträger (VHB), fordert die Regierung des Stadtstaates daher auf, „sich endlich mal zu äußern, ob sie nun einen zweiten Arbeitsmarkt will oder nicht und nicht nur Lippenbekenntisse von sich zu geben.“
Hans-Joachim Breetz, Sprecher der für ABM-Projekte zuständigen Arbeits- und Sozialbehörde, wiegelt jedoch ab: „Es gibt Weiterverhandlungen mit der Bundesanstalt für Arbeit und mit dem Landesarbeitsamt in Schleswig-Holstein.“ Die Frage, welche Projekte eingestellt oder zusammengelegt werden, konnte er gestern nicht beantworten: Noch sei nichts entschieden.
Breetz verweist auf die Bundestagswahl im Herbst: „Wenn es mit dieser Regierung nichts wird, dann vielleicht mit einer anderen.“ Doch bis dahin werden über 800 ABM-Stellen gestrichen und die AusbilderInnen arbeitslos sein.
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