ABFINDUNG: BEI GENERAL MOTORS ENDEN DIE ALTEN WOHLSTANDS-USA : Gehen, bevor die anderen kommen
Es ist der größte Belegschaftsabbau der amerikanischen Industriegeschichte. Autohersteller General Motors (GM) und sein früherer Zulieferer Delphi werden insgesamt 47.600 Angestellte per Abfindung auf die Straße setzen. Bereits zum Jahresende könnten allein 35.000 Arbeiter GM verlassen haben. Damit erreicht der Konzern, der 10 Milliarden Dollar Verluste 2005 eingefahren hat, schon zwei Jahre früher als geplant sein Ziel, den Personalbestand zu schrumpfen.
Und was sagt die UAW, die einst so mächtige Gewerkschaft der Vereinigten Autoarbeiter, dazu? Sie hat den Arbeitern insgeheim sogar zugeredet. Denn im kommenden Jahr läuft der Gewerkschaftsvertrag mit GM aus. Allen ist klar: Die fetten Jahre sind vorbei. Seit Monaten hatten die Gewerkschafter wissen lassen, dass sie keine Chance sähen, die bisherigen hohen Standards bei Löhnen und Arbeitsbedingungen, genau genommen die höchsten der USA, noch durchsetzen zu können.
GM, dem weltweit größten Autobauer, wurde in den letzten Jahren durch die starke Konkurrenz aus Asien mächtig zugesetzt. Mehrere japanische und koreanische Autohersteller lassen bereits in den USA produzieren, chinesische kommen alsbald dazu. Sie bezahlen ihren Arbeitenden fast die gleichen Löhne wie die gewerkschaftlich organisierten GM-Betriebe, nur um sich die verknöcherte UAW-Gewerkschaft vom Hals zu halten. Es erscheint vielen Angestellten daher als unsinnig, sich in einen aussichtslosen Arbeitskampf gegen GM zu stürzen. Die Jüngeren unter ihnen werden einfach ihre 70.000 bis 100.000 Dollar Abfindung nehmen, die Koffer packen und umziehen. Dorthin, wo die Konkurrenten neue Autowerke bauen. Wer älter ist und zurückbleibt, hat meist für sich selbst ausgesorgt: Das Häuschen ist abbezahlt, die Rente bleibt erhalten und stimmt, die Krankenversicherung ist die beste in den USA.
Derweil kämpft GM ums Überleben. Der Konzern hat sich mit unattraktiven Modellen und wenig Gespür für den Markt fast selbst erledigt. Ausgang ungewiss – da ist es gut, jetzt schon zu gehen.
ADRIENNE WOLTERSDORF