: A Frauensach‘
■ Über das 2. Internationale Komponistinnen-Festival in Kassel
Der Machospruch, Komponieren sei „a Männersach'“, den der Münchner Richard Strauss einst in die Welt gesetzt hatte, findet immer weniger Anhänger. Das liegt aber weniger an den Männern als an den Frauen, die in allen Bereichen um Gleichberechtigung kämpfen. Die schöpferischen Frauen in der Literatur und Malerei sind denjenigen aus der Musik jedoch weit voraus. Gegenüber ihren männlichen Kollegen haben es die Komponistinnen nach wie vor viel schwerer, sich Gehör zu verschaffen. Die Kulturnomenklatura des Staates oder in Anstalten des öffentlichen Rechts wird immer noch - fast ausnahmslos - von Männern beherrscht, die oft noch Generationen angehören, denen der Strauss'sche Ausspruch wie Musik in den Ohren klingt.
Vor zehn Jahren begann der Aufbruch der Frauen: In Köln und Bonn fand 1980 das erste große Frauenmusikfestival der BRD statt. Weitere Veranstaltungen folgten. Bereits 1978 wurde der „Internationale Arbeitskreis Frau und Musik“ mit dem Ziel gegründet, Komponistinnen bekannt zu machen und ihre Werke zu sammeln. Das Archiv befindet sich seit einem Jahr in Kassel, wo 1987 das erste Internationale Komponistinnen -Festival unter dem Motto „Vom Schweigen befreit“ stattfand.
Die Festivalleiterinnen Christel Nies und Roswitha Aulenkamp-Moeller hatten für die diesjährige zweite Auflage des Festivals ein umfangreiches Programm zusammengestellt. Das Angebot reichte von Hildegard von Bingens Ordo Virtutem mit dem Ensemble Sequentia bis zur Performance (Jana Haumsohn/ USA) und Experimenteller Musik/ Jazz mit Double-x-Project aus Köln und hätte ein breites Publikum ansprechen können. In Scharen kam es nicht, leider. Die verhältnismäßig hohen Eintrittspreise mögen sicher zu dem zum Teil bescheidenen Publikumsbesuch beigetragen haben. Daß konservativ eingestellte Abonnenten der Städtischen Sinfoniekonzerte es bei diesem (Frauen-)Programm vorzogen, den Samstagabend im Pantoffelkino zu verbringen, war zu erwarten.
Trotz dieser Tatsache war das Publikumsecho sehr gut, was die Notwendigkeit solcher Veranstaltungen unterstreicht. Das Festival hat gezeigt, daß es viele aufführungswerte und einige große Komponistinnen gab und gibt. In überzeugender Weise demonstrierten dies die Vertreterinnen aus der UdSSR, die in diesem Jahr besondere Berücksichtigung fanden. Die vierzigjährige Elena Firsowa war mit vier Werken vertreten. Ihr zweites Kammerkonzert für Violoncello und Orchester, ein beeindruckendes lyrisches Opus, erfuhr durch den souverän gestaltenden David Geringas, zusammen mit dem Kasseler Staatstheaterorchester unter seinem Chefdirigenten Adam Fischer eine ebenso vorzügliche Wiedergabe wie Sofia Gubeidulinas Sieben Worte für Violoncello, Bajan - einem russischen Knopfakkordeon - und Streichorchester. Ein ungemein konzentriertes Stück, das auf das Chorwerk Die sieben letzten Worte unseres Erlösers von H. Schütz Bezug nimmt.
Die Moskauer Komponistin und Pianistin Ekaterina Tschemberdshi stellte in einem Klavierrezital Werke von Galina Ustwolskaja und E. Firsowa vor. Mit der Eigenkomposition Haiku für Klavier wurde die dreißigjährige E. Tschemberdshi als Komponistin zur Fesitvalentdeckung (siehe Gespräch).
Am Sonntag vormittag war eine Podiumsveranstaltung im Ratssaal der Stadt angesagt: „Frau und Musik - Thematik von vorgestern?“ Auf dem Podium vier Frauen, in verschiedenen musikalischen Bereichen tätig, und zwei männliche Rundfunkvertreter. Ein Berg von Worthülsen blieb zurück. Der Hunger der meisten TeilnehmerInnen erlöste die hilflose Diskussionsleiterin kurz vor ein Uhr.
Trotz des finanziellen Defizits stellte auch das diesjährige Festival einen Gewinn für die Komponistinnen dar. Die Integration der Komponistinnen in das nach wie vor von Männern verwaltete Konzertleben steht noch aus.
Lukas Meuli
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