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900 Meter Schmiere verursachten den Crash

■ U-Bahnhof Spittelmarkt: Ein 900 Meter langer Schmierfilm auf den Schienen wurde als Ursache des Ostberliner U-Bahnunglücks ermittelt / Die Signale funktionierten und wurden vom U-Bahnpersonal auch nicht übersehen / Auch die BVG beruhigt: Technik ist absolut zuverlässig

Die Ursache des schweren U-Bahnunglücks auf dem Ostberliner U-Bahnhof Spittelmarkt steht jetzt fest. Ein recht simpler Umstand führte dazu, daß am späten Montag nachmittag zwei Züge krachend zusammenstießen: Auf den Fahrschienen der Kleinprofil-Linie A Richtung Pankow befand sich auf insgesamt 900 Meter Länge ein rutschiger, grau-schwarzer Schmierfilm.

So kam es, daß auf Gleis 2 um 17.22 Uhr zunächst ein von der Station Otto-Grotewohl-Straße heranbrausender Acht-Wagen -Zug mit drei Waggons über das Bahnsteigende rutschte. Kurz darauf krachte es infernalisch. Ein nachfolgender Zug konnte auch nicht mehr rechtzeitig bremsen, knallte mit blockierten Rädern so stark gegen den ersten, daß die Wagen um bis zu sechs Meter zurückschleuderten. Die rund 500 Fahrgäste fielen von den Sitzen, purzelten durch die Gänge.

Glücklicherweise gab es, wie zuerst fälschlich gemeldet, keine Schwerverletzten. Nach der gestrigen Bilanz der Ostberliner Verkehrsbetriebe (BVB) kamen insgesamt 14 Personen nur leicht zu Schaden, darunter vier U -Bahnangestellte. Alle konnten schon in der Nacht aus ambulanter Behandlung nach Hause entlassen werden. Den Schaden bezifferte die BVB auf rund eine Million Mark.

Woher der Schmierfilm kam, sei noch nicht geklärt, erläuterte gestern auf dem Bahnhof Spittelmarkt die stellvertretende BVB-Betriebsdirektorin Gisela Grimm. Wahrscheinlich stamme er von einem der Züge, die am Montag nachmittag auf der Linie A im Umlauf gewesen seien. Ob das zutreffe, untersuche jetzt in Zusammenarbeit mit der BVB eine Spezialkommission der Ostberliner Transportpolizei.

Laut dem vorläufigen BVB-Unfallbericht wechselte die Fahrerin des zuerst eingefahrnen Zuges gerade vom vorderen in den hinteren Führerstand, um den Zug wieder an den Bahnsteig vorziehen zu können, als das Unglück geschah. Für den zweiten Zug zeigte ein weit vor dem Bahnhof aufgestelltes Einfahrsignal zwar noch „Fahrt frei“, ein folgendes sogenanntes Nachrücksignal stand aber ordnungsgemäß auf Rot, so die BVB-Direktorin. Die U -Bahnfahrerin habe daraufhin sofort die Schnellbremse sowie eine Sicherheitsfahrsperre betätigt, doch hätten die blockierten Räder auf dem Schmierfilm nicht mehr genügend gegriffen.

„Signaltechnisch ist das sowohl bei denen in Ost-Berlin als auch bei uns ausgeschlossen, daß ein Zug auf den anderen auffährt“, wollte gestern der bei der BVG für den U -Bahnfahrbetrieb zuständige Direktor Erich Kratky die Fahrgäste beruhigen. Kratky: „Bei unserer U-Bahn muß am Tag 120.000mal ein Signal beachtet werden, und 120.000mal bewährt sich das System.“

thok

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