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90 zeilen herzBalkonsolar, ein Projekt der Emanzipation

Die emanzipatorische Entwicklung in der Bundesrepublik ist in vielerlei Hinsicht vorangekommen, für manche Benachteiligte sicher zu langsam, aber im weltweiten und historischen Vergleich bemerkenswert. Seit einiger Zeit formiert sich aber, wie in allen Ländern des Westens, rechtspopulistisch organisierter und auch konservativer Widerstand, sodass Entwicklungen nun angegriffen oder sogar rückgängig gemacht werden. Da Emanzipation kulturell meist nur gesellschafts- und geschlechterpolitisch definiert ist, wird eine enorme emanzipatorische Entwicklung bisweilen übersehen, die gerade jetzt richtig vorankommt. Im Gegensatz zur Verbotsrhetorik zur Verhinderung von Klimaschutz erleben wir hier die Emanzipation des Menschen als Stromproduzent und Autofahrer und seine Befreiung aus der Abhängigkeit von fossilen Energien und Energiekonzernen.

Selbst der entlassene Finanzminister Christian Lindner, sonst immer verbotsbesorgt, hat in einem schwachen (oder wachen) Moment von Sonne und Wind als „Freiheitsenergien“ gesprochen, und genau diese Freiheit kann man in seinem Alltag spüren. Die Freiheit des Eigenstromproduzenten. Zum 2024 in Kraft getretenen „Solarpaket 1“ von Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck gehört das Recht von Mietern, ihren Strom auf dem Balkon mit PV-Modulen selbst zu produzieren. Seit das geht, boomen Balkonkraftwerke. Damit ist auch die Vulgärpolemik obsolet, wonach Eigenstromproduktion besserverdienenden Zahnärzten vorbehalten sei.

Im zweiten Schritt geht es dann um Speicherung mit einer Batterie und Einbindung ins Netz. Damit kann man den eigenen Strom tagsüber speichern und abends verbrauchen – und in die Dienstleistung einsteigen, indem man als Teil einer Art Solargemeinschaft in einen virtuellen Speicher eines Stromunternehmens eingebunden ist. Dazu braucht es allerdings einen intelligenten Stromzähler. Ein enger Verwandter, der in der EU lebt, hat eine kleine Solaranlage, Wärmepumpe, hat 8.000 Euro in diese Batterie investiert, verbraucht kein Gas mehr, bekommt keine Energierechnung mehr und bekommt für die Dienstleistung noch etwa 1.000 Euro im Jahr. Er ist jetzt im eigenen Sinne Stromunternehmer und im Sinne der Gesellschaft bewahrend, fossilfrei und stromnetzdienlich.

Noch mal zum emanzipatorischen Fortschritt: Balkonsolar ist eben nicht mehr nur Eigenheimförderung, sondern mieterfreundlich und Do-it-yourself. Es braucht nicht mal einen Installateur, der keine Zeit hat. Man bestellt sich für wenig Geld zwei Module und steckt das Kabel in die Steckdose. Das ist emanzipatorisch, sozial, liberal, konservativ und ökologisch. Also ganz vorn. Peter Unfried

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