6,4 Milliarden fehlen: BayernLB maroder als gedacht
Die BayernLB kriecht als Erste unter den Schutzschirm der Bundesregierung. Und ein Ende der Krise der bayrischen Landesbank ist weiter nicht absehbar, wie Finanzminister Huber zugeben muss.
MÜNCHEN dpa Es ist ein Katastrophen-Tag für die BayernLB: Mit 6,4 Milliarden Euro ist der Kapitalbedarf von Deutschlands zweitgrößter Landesbank weitaus größer als bislang bekannt. Als erste deutsche Großbank sucht das einst so stolze Institut, das in diesem Jahr den höchsten Verlust in seiner Geschichte verbuchen muss, nun Schutz unter dem sogenannten Bundesschirm. Damit sorgt die BayernLB für einen weiteren Niedergang des Finanzplatzes München.
Der sichtlich mitgenommene bayerische Finanzminister Erwin Huber (CSU) und BayernLB-Chef Michael Kemmer machen am Dienstagabend nach einer fünfstündigen Krisensitzung des Verwaltungsrates in der BayernLB-Zentrale keinen Hehl daraus, dass die Lage ernst ist: "Das Thema quält uns natürlich", erklärte Kemmer vor zahlreichen Journalisten bei einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz.
Deutschlands zweitgrößte Landesbank hatte sich am krisengeschüttelten US-Hypothekenmarkt verspekuliert und schon bisher seit Ausbruch der Finanzkrise vor gut einem Jahr Belastungen in Höhe von 4,9 Milliarden Euro verdauen müssen.
Jetzt kommt es für die Bank, die je zur Hälfte dem Freistaat Bayern und den bayerischen Sparkassen gehört, noch dicker: Auf bis zu drei Milliarden Euro werden sich die Verluste nach den Worten Kemmers im Gesamtjahr 2008 voraussichtlich summieren, für das dritte Quartal erwartet er einen Verlust von einer Milliarde Euro.
Und ein Ende der Krise ist weiter nicht absehbar. "Das kann kein Mensch beantworten", sagt Huber auf die Frage, wie lange die Turbulenzen an den Finanzmärkten die Bank noch im Griff halten werden.
Klar ist nach dem Paukenschlag allerdings, dass bei der Bank nichts bleibt wie es einmal war. Auch Bayerns Sparkassen-Präsident Siegfried Naser hatte bereits bei einer Krisensitzung am Vorabend wissen lassen, ein "Weiter so" der Bank könne es nicht geben, sie müsse verkleinert und verschlankt werden.
Angesichts der Krise will die BayernLB nun zuerst einmal ihr Sparprogramm verschärfen und in den kommenden drei Jahren 400 Millionen Euro einsparen. Bisher waren lediglich 150 Millionen Euro in den kommenden zwei Jahren vorgesehen. Außerdem will sich die Bank stärker auf das Mittelstands- und das Privatkundengeschäft, das über die Direktbank DKB abgedeckt wird, und auf die Ost- und Südosteuropa-Aktivitäten konzentrieren. Das risikoreiche Geschäft mit Wertpapieren dürfte damit stark in den Hintergrund gedrängt werden.
Auch der Fusionspoker zwischen der BayernLB und der Landesbank Baden-Württemberg könnte angesichts des Notstandes in München in den kommenden Monaten in Schwung kommen, wird in der Branche erwartet. Kemmer räumt allerdings ein, dass die Bayern dabei in einer mehr als schwachen Position sind. "Das Timing für Fusionen ist nicht gerade ideal."
Baden-Württembergs Sparkassen-Präsident Peter Schneider hatte erst kürzlich noch einmal auf einen Zusammenschluss beider Institute zu einer Südbank gedrungen. Anders als die BayernLB braucht die LBBW als Nummer eins der deutschen Landesbanken nach eigener Einschätzung keine Hilfen aus dem Rettungspaket der Bundesregierung.
Bei den gut 19.000 Mitarbeitern der Bank haben die Hiobsbotschaften der vergangenen Tage derweil für große Unruhe gesorgt, wie aus dem Umfeld der Bank verlautete. Viele Beschäftigte seien verunsichert, weil sie fast täglich neue Details über die Milliarden-Belastungen aus der Presse erfahren müssten. Sie fühlten sich wie ein "Spielball der Politik". Alleine an ihrem Sitz in München hat die BayernLB rund 3500 Mitarbeiter.
Bank-Chef Michael Kemmer sieht trotzdem keinen Anlass für Abbitte gegenüber der Öffentlichkeit und den eigenen Beschäftigten: "Es stellt sich die Frage, ob eine mehr oder weniger theatralische Entschuldigung etwas nützt", sagt der BayernLB-Chef. Er sei ein eher nüchterner Mensch.
Auch dass sein Haus nun als erste Bank den Notfonds der Bundesregierung in Anspruch nehmen muss, bedrückt ihn nach eigenen Worten nicht: "Dass das ein bisschen läuft wie beim Mikado nach dem Motto "Wer sich als erster meldet, hat verloren", das stört uns nicht, wenn wir eine Bresche schlagen für die anderen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Türkei und Israel nach Assad-Sturz
Begehrlichkeiten von Norden und Süden
Katja Wolf über die Brombeer-Koalition
„Ich musste mich nicht gegen Sahra Wagenknecht durchsetzen“