60 Jahre Frauenverband der CDU: In Eva Hermans Welt
Die Spitze der CDU-Frauenunion versucht den Spagat des konservativen Feminismus und will ein modernes Frauenbild prägen - und redet damit an ihrer Basis vorbei.
"Konservativer Feminismus? Mit dem Begriff kann ich nichts anfangen", sagt Christine Dessup, Kreisvorsitzende der CDU-Frauenunion in Göppingen. Sie überlegt. Und dann erklärt die 54-Jährige das neue Frauenbild der CDU so: Frauen nähmen heute viel engagierter am Leben teil, und die traditionelle Rollenverteilung sei überholt. Gleichzeitig müsse die Union konservative Werte aufrechterhalten. Christine Dessup weiß es vielleicht nicht, aber nach der Definition von Familienministerin Ursula von der Leyen hat sie sich soeben in die Riege der konservativen Feministinnen eingereiht. Von der Leyen hatte das Schlagwort in einem Interview so umschrieben: Konservative Werte erhalten, aber bitte auf Augenhöhe mit den Männern.
Die Erfolge ihrer Politik sollten am Samstag im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin gefeiert werden - vor 60 Jahren haben sich die Frauen in der CDU zusammengetan. Doch das Frauenbild will nicht so recht auf die konservativen Delegierten passen. In ihrer Jubiläumsrede erklärt die Vorsitzende der CDU-Frauenunion Maria Böhmer, auch eine konservative Feministin, die Erfolge: Etablierung der Vätermonate und der Einsatz für Krippenplätze für unter Dreijährige. "Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf klappt noch nicht perfekt, aber für viele Veränderungen danken wir der Familienministerin von der Leyen!" Mäßiger Applaus. Die Basis zieht nicht mit.
Wenig begeistert ist etwa Gloria Bärsch, 63, von der Frauenunion in Berlin-Charlottenburg. "Ich bin keine Feministin, ich bin konservativ. Und ich finde, Kinder brauchen die Aufmerksamkeit der Mutter in den ersten drei Jahren", erklärt sie. "Es sollte keine Ausnahme sein, wenn Frauen ihre Kinder selbst erziehen." Catharina Wöltjen, 81, Schatzmeisterin im Kreisverband Verden, meint: "Frauen, die viele Kinder haben, tun doch etwas für die Rentenkassen." Der Saal ist skeptisch, doch auf dem Podium ist der Tenor klar: Doris Pack, Landesvorsitzende der Frauenunion der CDU Saar, spricht ins Mikrofon: "Mal ehrlich: Eva Hermann ist doch nicht von dieser Welt!" Auch ein Panel für Chancengleichheit im Job erreicht nicht alle im Publikum. "Coaching Moms", "Best Practice" und "Diversity" - mit den modernen Schlagworten können nur wenige etwas anfangen. "Die reden doch nur von hochqualifizierten Karrierefrauen", flüstert eine Dame um die 60 ihrer Sitznachbarin zu. Die andere zuckt die Schultern und verlässt den Saal, um sich einen Kaffee im Pappbecher zu holen. Viele tun es ihr nach.
Der Spagat, den Frauenunion-Vorsitzende Maria Böhmer machen muss, ist schmerzhaft. Der Altersdurchschnitt der traditionellen Mitglieder in der Frauenunion liegt bei rund 57 Jahren, während gerade eine neue Kampagne junge, berufstätige Frauen anwerben soll. An die muss die Unionspolitik angepasst werden. Maria Böhmer muss nun zwischen jung und alt lavieren. Sie will zum Beispiel auch die Lohnkluft anpacken: "Es ist ein Skandal, dass Frauen 28 Prozent weniger verdienen. Da muss sich dringend etwas ändern." Weil das fast schon zu feministisch ist, folgt gleich ein eher konservativer Appell: Man brauche gleichzeitig eine Verbesserung der Stellung der Frau, die sich in die Familien einbringt, etwa durch eine eigenständige Alterssicherung für Hausfrauen.
Solange die neue Mitgliederwerbeaktion, die sich vor allem an junge Frauen richtet, nicht greift, muss Böhmer die konservativen Delegierten im Auge behalten. Gloria Bärsch von der Frauenunion in Berlin-Charlottenburg drückt es so aus: "Die CDU ist konservativ, und das muss auch so bleiben, sonst laufen die Frauen weg."
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