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5.400 Mark für das Gewissen

■ Uwe W. verweigerte als Zeuge Jehovas Wehr- und Zivildienst

Mit göttlichen Gesetzen kennt Uwe W. sich aus. „Wir sollen der Obrigkeit untertan sein, aber auch den Gesetzen Jehovas. Wenn die menschlichen Gesetzen den Gesetzen meines Gottes widersprechen, kann ich sie nicht befolgen“, sagt der blasse junge Mann mit Schlips und Kragen im Bremer Amtsgericht. Uwe W. ist Zeuge Jehovas und steht als Angeklagter vor seinem irdischen Richter. Sein Vergehen: Er will weder Wehr- noch Zivildienst leisten und hat auch keinen eigenen Arbeitsplatz im sozialen Bereich gefunden, der ihn von der Dienstpflicht befreien würde.

Totalverweigerung aus religiösen Motiven: Für Uwe W. ist der Zivildienst nur eine andere Art des Wehrdienstes, weil er so seine Wehrpflicht abdient. Diese Unterwerfung unter staatlichen Zwang aber paßt nicht mit seinem Gelübde zusammen, nur seinem Gott und sonst nichts und niemandem zu dienen. „Auch der Zivildienst in jeglicher Form würde daher mein Gewissen belasten,“ sagt Uwe W. aus. An Wehrdienst, den Drill zum Schießen und Töten, ist bei den traditionell streng pazifistischen Zeugen Jehovas ohnehin nicht zu denken, und Uwe W. hat auch gleich die passenden Bibelzitate bereit: „Unser Gott ist nicht parteiisch, sagt die Bibel. Der Gedanke, gegen andere Völker Krieg zu führen, ist mir fremd“.

Deshalb ist Uwe W. auch anerkannter Kriegsdienstverweigerer. Für wehrpflichtige Männer, die „aus Gewissensgründen gehindert sind, Zivildienst zu leisten“, gibt es im Zivildienstgesetz eine Ausnahme: Laut §15a werden sie vorläufig nicht zum Dienst herangezogen, wenn sie sich selbst eine Arbeit in einer sozialen Einrichtung wie Krankenhäusern oder Kinderheimen besorgt haben, dort ein Jahr länger als die Zivildienstzeit gearbeitet haben und all dies vor ihrem 24.Geburtstag gemacht haben. Uwe W.'s Pech: Seit fünf Jahren sucht er eine solche Stelle und hat sie nicht gefunden. Daher müßte er jetzt seinen Zivildienst antreten. Daran aber denkt Uwe W. nicht: „Mir ist das ewige Leben versprochen, wenn ich mich an die Gesetze Jehovas halte. Das werde ich durch einen solchen Dienst nicht aufs Spiel setzen.“

Was aber ist mit dem Bibelwort „Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist“, fragt der belesene Amtsrichter Hans-Joachim Gerboth. Der Angeklagte kontert: „Es heißt auch weiter: Gib Gott, was Gottes ist.“ Ins Schwimmen gerät er allerdings bei der politischen Argumentation, daß Zivilidenstleistende in die Militärplanung einbezogen seien und Kriege führbar machten. „Nennen Sie mir einen Fall, in dem das passiert ist“, grummelt Gerboth – Fehlanzeige. „Woher haben Sie denn diese Informationen?“ Da kann W. keine genauen Angaben machen. „In der Zeit, in der Sie Zivildienst geleistet hätten, hat es doch keinen solchen Notfall gegeben, und Zivis in Behinderten- oder Altenheimen werden doch nicht zur Militärplanung herangezogen“, poltert der Richter. Auch die 250 Bewerbungen, die W. über die Jahre in ganz Deutschland verschickt hat, zählen für den Richter nicht, wenn es an eine Verurteilung wegen „Dienstflucht“ nach dem Zivildienstgesetz geht: „Bloße Bemühungen reichen laut Gesetz nicht aus.“

„Das ist ein großes Problem“, meint dazu Peter Tobiassen von der Zentralstelle für Kriegsdienstverweigerer Bremen. „Es wird von den Leuten etwas verlangt, was sie nicht erfüllen können.“ Denn die Stellen, die diese Totalverweigerer suchen, sind feste Arbeitsverhältnisse, die für die Krankenhäuser teuer und selten sind. „Die typischen Zivi-Jobs für Ungelernte werden von Zivis ausgefüllt. Das Bundesamt für Zivildienst hilft den Zeugen Jehovas bei dieser Suche kein bißchen.“ Dabei, so Tobiassen, wurde der §15a anno domini 1968 extra für die religiösen Verweigerer eingeführt: „Insgesamt saßen 5.000 Zeugen Jehovas in deutschen Knästen und die Welt diskutierte darüber, daß Deutschland die radikalen Pazifisten nach der brutalen Verfolgung unter den Nazis schon wieder kriminalisierte.“

Der Fall von Uwe W. jedenfalls ist Routine. Verteidiger und Richter kennen sich aus vielen ähnlichen Verfahren, der Staatsanwalt betont, er „achte die Gewissensentscheidung, auch wenn sie irrig ist und der Staat seinen Strafanspruch durchsetzen muß.“ Er plädiert auf Geldstrafe: 150 Tagessätze a 45 Mark, der Verteidiger beantragt 90 Tagessätze – insgeheim rechnet er mit 120 Tagessätzen. Die verhängt Richter Gerboth dann auch im Namen des Volkes für den „Überzeugungstäter“. Gleich nach dem Urteil winken Verurteilter und Staatsanwalt bei der Frage nach Rechtsmitteln ab. Das Urteil gilt: 5.400 Mark für das Gewissen. bpo

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