5 dinge, die wir über uns gelernt haben:
1 Man ist so alt, wie was man hört
Große Aufregung wie jedes Jahr, wenn ein großer und durchaus fragwürdiger Music-Streamingdienst sein Wrapped-Format veröffentlicht, die musikalische Rückblicksshow. Diesmal neu ist die Rubrik „Listening Age“, also das Alter, das auf Grund des Hörverhaltens ermittelt wird. 24-Jährige sind musikalisch auf einmal auf Augenhöhe mit Boomern. Das stürzte nicht wenige in eine Sinnkrise, und damit ist „Wrapped“ endgültig zum digitalen Buß- und Bettag der Popkultur geworden. Wir lernen: Der Mensch ist ein Statistiktier, das für Diagramme bereitwillig seine Seele öffnet.
2 Wir verstehen nur rückwärts
Und der Mensch wird nervös, wenn er nicht aus dem Fernsehen erfährt, wie es denn so war, das Jahr. Die TV-Jahresrückblicke wollen uns erklären, was wir erlebt haben sollten, und sie versuchen, das Jahr zu ordnen, obwohl doch auch 2025 so chaotisch war wie alle Jahre zuvor. Vielleicht findet der Mensch sein Gleichgewicht im Rückspiegel, weil vorne zu viel Gegenverkehr ist.
3 Was wir gucken werden
Netflix hält sich nicht an die Regeln der Nostalgie, denn zum Jahresende verschwinden aus dem deutschen Angebot Filme wie „Das Leben der Anderen“, „La La Land“ oder „No Country for Old Men“. Während uns also andere Plattformen rückblickend umarmen, leert Netflix ungerührt seine Regale, um Platz zu schaffen für den nächsten True-Crime-Mist. Was wir in Zukunft schauen, entscheiden am Ende weder wir noch ein Algorithmus, sondern die Lizenzen.
4 Was wir wollten
Während Feuilletons und Literaturpreise versuchen, uns einzureden, was wichtig war, verrät der Buchhandel, was wir 2025 tatsächlich gekauft haben: Sebastian Fitzeks „Der Nachbar“, den neuen Asterix und der Ratgeber „Die 1%-Methode“. Wir wollen Spannung, Trost und die Illusion, alles in kleinen Portionen kontrollieren zu können.
5 Wer wir waren
Und schließlich verrät Google, was wir wirklich wissen wollten. „Year in Search 2025“ zeigt wieder, welche Fragen das Land umgetrieben haben: große politische Verunsicherungen, kleine Alltagsnöte, die üblichen Fluchten („Wie kündige ich …?“ bleibt ein Klassiker). Die Suchanfragen eines Landes sind wohl der ehrlichste Jahresrückblick. (mak)
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