: 45 Grad im Schatten
Nachdem Elfriede Jelinek als Prophetin des intelligenten, scharfen und literarisch wertvollen Feminismus das Gütesiegel der Literaturkritik allerorten empfangen hat, darf sie nun auch im eigenen Lande vernommen werden: Als erste große Wiener Bühne inszeniert das Volkstheater ihr experimentelles Stück Krankheit oder moderne Frauen und klopft sich im Programm für diese Mutprobe selbst auf die Schulter. Die Inszenierung von Piet Drescher wird am 22.4. erstmals aufgeführt. Da werden sich die Wiener aber wundern! (Und anschließend dem Intendanten schreiben: Jetzt wäre es doch auf ein paar Jahre Wartezeit mehr auch nicht angekommen.)
Die blutige Geschichte von Agamemnon, Klytaimestra, Elektra und Orest, von Aischylos erstmals dramatisch geformt (in seiner Orestie) und seither in immer neuen Versionen literarisch verarbeitet, bildet auch Stoff der Oper Erinys von Volker David Kirchner. Die Uraufführung des „szenischen Threnos“ unter der musikalischen Leitung von Neil Varon, inszeniert von Friedrich Meyer-Oertel, findet am 15.4. in Wuppertal statt. Von dem 47jährigen Komponisten wurden in der kleinen Stadt im Bergischen Land bereits Die fünf Minuten des Isaak Babel und Die Trauung uraufgeführt, letzteres nach dem wunderbaren Stück von Witold Gombrowicz. Skeptisch in der Vorfreude stimmen allerdings, so man niemals einen Ton dieses Komponisten vernommen hat, die ihm zugedachten Preise: einzig zwei, und die auch noch vom Lande Rheinland-Pfalz... Denn mit Preisen geht man in der Kulturlandschaft der BRD bekanntlich großzügig um:
Der mit 30.000 DM dotierte Theaterpreis Berlin wird für dieses Jahr auf Beschluß der Jury der Berliner „Stiftung Preußische Seehandlung“ (kein Satzfehler) an den Choreographen und Regisseur Johannes Kresnik verliehen. Wir zitieren aus der Begründung: „Hans Kresniks choreographisches Theater leistet seit über 20 Jahren ästhetischen Widerstand gegen zwei - sehr deutsche - Übel: gegen die kollektive Verdrängung von Unrecht und Schuld; gegen die heillose Verstrickung in Familienbande und Gruppenzwänge.“ Und Michael Bogdanov, Intendant des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg, wurde am 8.4. in London mit dem Sir Laurence Olivier Award als „bester Regisseur 1989“ gekürt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen