piwik no script img

45 Grad im Schatten

Die neue Pariser Oper an der Bastille wird nach den Berechnungen des französischen Rechnungshofes den Steuerzahler teuer zu stehen kommen. In seinem Jahresbericht stellt der Rechnungshof fest, daß die Betriebskosten enorm unterschätzt wurden und auch eine kräftige Erhöhung der Eintrittspreise das Manko nicht ausgleichen kann. Das schon vor einem Jahr anläßlich der 200-Jahr-Feiern der Französischen Revolution eingeweihte Opernhaus, das nach den Vorstellungen von Staatspräsident Mitterrand eine „Volksoper“ werden sollte, verschlingt in diesem Jahr zusammen mit der dem Ballett vorbehaltenen alten Garnier -Oper trotz des bisher noch begrenzten Angebots 644 Millionen Francs (rund 192 Millionen D-Mark). Darin enthalten ist eine staatliche Subvention von 440 Millionen Francs

(rund 131 Millionen D-Mark). Dabei ist zu bedenken, daß der Spielbetrieb erst im März aufgenommen wurde und der erste vollständige Spielplan erst im September beginnt. Die zusätzlichen Ausgaben für die Pariser Bühnen wird der Staat bei den sowieso schon stiefmütterlichen behandelten Provinzopern einsparen müssen. Parallel zu dem gesteckten Ziel der Bastille-Oper - 450 bis 500 Veranstaltungen pro Jahr, davon mindestens 250 Opernaufführungen - werden auch die Kosten noch weiter wachsen. Völlig illusorisch war dem Bericht zufolge die Hoffnung, die hohen Betriebs- und Produktionskosten durch gesteigerte Einnahmen auszugleichen, selbst wenn das Ziel der Erhöhung der jährlichen Besucherzahl von 250.000 in der alten Garnier-Oper auf 700.000 an der Bastille erreicht werden sollte. Aber daß die neue Oper im

mer volles Haus haben wird, erscheint nach der für die kommende Saison schon geltenden Anhebung der Eintrittspreise sehr fraglich. Besonders kritisiert wird die Ernennung von Daniel Barenboim zum musikalischen Leiter, der nach einem Streit mit Opernchef Pierre Berge um Honorare und Kompetenzen gehen mußte. Die Ernennung im Mai 1988 sei entgegen aller Regeln erfolgt, stellt der Rechnungshof fest. Dazu kommen die Bezüge des israelischen Stardirigenten, die damals in der Öffentlichkeit Entrüstung hervorgerufen hatten: drei Millionen Francs Grundgehalt pro Jahr, eine zusätzliche Entschädigung in Höhe von 350.000 Francs und 4,8 Millionen Francs für die Leitung von 25 Vorstellungen, insgesamt umgerechnet 2,4 Millionen D-Mark. Die Klage Barenboims auf Schadensersatz ist noch nicht entschieden. Ebenso fürstlich

ließ sich auch Eva Wagner, die Enkelin von Richard Wagner, als Programmdirektorin entlohnen. Ihre Tätigkeit im Planungsausschuß für das Opernprojekt ließ sie sich ein Jahr lang mit 630.000 Francs (rund 188.000 D-Mark) honorieren, obwohl sie in London noch einer anderen Tätigkeit nachging. Angesichts der knappen Kasse erwägt das Kulturministerium eine Verlängerung der Aufführungszyklen, um damit eine bessere Rentabilität der Inszenierungen zu erzielen. Die Eintrittspreise wurden für die neue Spielzeit schon erhöht. Sie werden dann alles anderes als „volkstümlich“ sein. So wird der teuerste Platz an der Bastille nach der Sommerpause 520 statt 370 (rund 155 statt 110 D-Mark) kosten. Allerdings werden 1.029 der insgesamt 2700 Plätze des großen Saals für weniger als umgerechnet 60 Mark zu haben sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen